914 Abschnitt XXXVI. Landgemeinde-Ordnung für die Prov. Westfalen.
Ihm müssen, wenn er nicht selbst den Vorsitz in der Gemeinde-Bersammlung
geführt hat, deren Beschlüsse vor der Ausführung vorgelegt werden.
Wenn demnächst nicht innerhalb acht Tagen nach erlangter Kenntniß Seitens
des Amtmannes der Beschluß beanstandet (§. 37) worden, so kann die Ausführung
erfolgen. Auf diejenigen Beschlüsse, für welche eine höhere Bestätigung ausdrücklich
vorgeschrieben ist, findet diese Bestimmung keine Anwendung.
§ 32. Die Gemeinde--BVersammlung hat, ohne daß ihre Mitglieder an In-
struktionen oder Aufträge gebunden sind, über alle Gemeinde-Angelegenheiten zu be-
schließen, soweit diese nicht durch das Gesetz dem Gemeinde-Vorstande ausschließlich
überwiesen sind. Ueber andere Angelegenheiten darf die Gemeinde-Versammlung nur
dann berathen, wenn solche durch besondere gesetzliche Vorschriften, oder in einzelnen
Fällen durch Aufträge der Aufsichtsbehörde (s§. 80) an sie gewiesen find. Die Ge-
meinde-Versammlung kontrollirt die Verwaltung und ist eben so berechtigt als ver-
pflichtet, sich von der Ausführung ihrer Beschlüsse und der Berwendung aller Geld-
einnahmen, so wie von der gehörigen Ausführung der Gemeinde-Arbeiten 2c. Ueber-
zeugung zu verschaffen, sie darf aber ihre Beschlüsse niemals selbst ausführen.
§s. 33. An Verhandlungen über Rechte und Verpflichtungen der Gemeinde darf
derjenige nicht Theil nehmen, dessen Interesse mit dem der Gemeinde im Widerspruch
steht. Kann wegen dieser Ausschließung ein gültiger Beschluß nicht gefaßt werden,
#So beschliesst an Stelle der Gemeinde-Behörden der Kreisausschuss y.
§. 34. Die Gemeinde--Versammlung kann nur beschließen, wenn mehr als die
Hälfte und wenigstens drei der gehörig eingeladenen Mitglieder mit Einschluß des
Vorsitzenden zugegen sind. Eine Ausnahme hiervon findet statt, wenn die Gemeinde-
Versammlung, zum zweiten Mal zur Verhandlung über denselben Gegenstand zu-
sammenberufen, dennoch nicht in gehöriger Anzahl erschienen ist Bei der zweiten
Zusammenberufung muß auf diese Bestimmung ausdrücklich hingewiesen werden. In
welcher Art die Einladung der Mitglieder zu der Gemeinde-Versammlung zu be-
wirken ist, wird durch Beschluß der Gemeinde-Versammlung unter Genehmigung des
Kreisausschusses #) bestimmt.
Die Zusammenbernfung erfolgt unter Angabe der Gegenstände der Verhandlung;
mit Ausnahme dringender Fälle muß dieselbe wenigstens zwei freie Tage vorher
statthaben. Durch Beschluß der Gemeinde-Versammlung können auch regelmäßige
Versammlungstage festgesetzt, es müssen jedoch auch dann die Gegenstände der Ver-
handlung, mit Ausnahme dringender Fälle, zwei freie Tage vorher der Gemeinde-
Versammlung angezeigt werden.
Die Sitzungen dürfen nicht in Wirthshäusern oder Schenken abgehalten werden.
§. 35. Die Beschlüsse der Gemeinde-Versammlung werden nach Stimmen-
mehrheit gefaßt. Wer nicht mitstimmt, wird zwar als anwesend betrachtet, die
Stimmenmehrheit wird aber lediglich nach der Zahl der Stimmenden festgestellt.
§. 36. Die Beschlüsse der Gemeinde-Versammlung und die Namen der dabei
anwesend gewesenen Mitglieder sind in ein besonderes Buch einzutragen und von
dem Vorsitzenden und wenigstens einem Mitgliede zu unterzeichnen.
§. 37. Hat die Gemeinde-Versammlung einen Beschluß gefaßt, welcher ihre
Befugnisse überschreitet, gesetz= oder rechtswidrig ist, das Staatswohl oder das Ge-
meindeinterefse verletzt, so hat der Gemeindevorsteher oder der Amtmann von Amts-
wegen oder auf Geheiß der Aufsichtsbehörde (§. 80) die Ausführung einstweilen zu
beanstanden ). War der Amtmann bei der Abfassung eines solchen Beschlusses nicht
1) Zust. Ges. §. 33, .
2) Zust. Ges. §. 31 Abs. 1.
2) §. 29 Zust. Ges.: Beschlüsse der Gemeinde-Versammlung, der Gemeinde-
Vertretung oder des kollegischen Gemeindevorstandes, welche deren Befugnisse
überschreiten oder die Gesetze verletzen, hat der Gemeindevorsteher, in der
Provinz Westfalen auch der Amtmann, entstehenden Falles auf Anweisung der Auf-
sichtsbehörde, mit aufschiebender Wirkung, unter Angabe der Gründe, zu beanstanden.
Gegen die Verfügung des Gemeindevorstehers beziehungsweise Amtmanns stehr der
Gemeinde-Versammlung, Gemeinde-Vertretung beziehungsweise dem kollegialischen
Gemeindevorstande die Klage im Verwaltungsstreitverfahren zu. Bergl. den
analogen Fall der Oe. St. O. oben S. 788.
Die in den Gemeindeverfassungsgesetzen begründete Befugniß der Aufsichts-