Rückblick. 81
die fast überall das Steuerbewilligungsrecht erwerben. 3. Der reichs-
unmittelbare Ritterstand, vielfach verarmt und dem aufkommenden
Fußvolke gegenüber bedeutungslos, wird von den benachbarten Fürsten
z. T. abhängig gemacht (mediatisiert!). 4. Die Städte, deren es
etwa 80 reichsfreie gibt, mehren ihren Reichtum durch Handel und
blühendes Kunstgewerbe; im Innern der Reichsstädte kämpfen noch
Patrizier und Zünfte miteinander oder in Bischofsstädten die Bürger
gegen die bischöfliche Gewalt. Der Minnegesang der Ritter macht
dem Meistergesange der Bürger Platz. 5. Die Bauern versinken
immer mehr in Untertänigkeit und werden in manchen Gegenden so
hart bedrückt, daß sie zu gegenseitigem Schutze Bündnisse schließen,
so den „Bundschuh“ im Elsaß, den „armen Kunz“ (d. i. Konrad)
in Württemberg. 6. Eigentümlich sind in dieser Zeit der Rechts-
unsicherheit die Femgerichte 2), die entweder ein Rest der altgermanischen
Gerichte waren oder erst zur Zeit des Faustrechts aus dem Volke
heraus entstanden und besonders da einschritten, wo ein Verbrecher
sich der ordentlichen Gerichtsbarkeit zu entziehen suchte. Sie standen
unter dem Schutze des Kaisers und hatten ihren eigentlichen Sitz auf
der „roten Erde“ in Westfalen, ihre Wirksamkeit erstreckte sich aber
in der Blütezeit (1400—1410) über das ganze Reich und erlosch erst
mit der zunehmenden Rechtssicherheit in den Gebieten der Landesherren.
1) Vom latein. medius = mittelbar; also mittelbar machen, d. h. unter
einen Fürsten stellen, der wieder den Kaiser über sich hat.
:) Feme = Genossenschaft.
Jaenicke, Deutsche und brandenburg.-preuß. Geschichte. I. 10. Aufl. 6