Friedrich II. der Große. 87
teil zu fällen hatten; bald hörte man das schöne Wort: „Il y a
des juges à Berlin.“ Bei diesen Neuerungen stand ihm der Rechts-
gelehrte Samuel von Cocceji (kokzeji! zur Seite, während
späterhin der Graf Carmer und der Geheimrat Suarez
(Svares, eigentlich Schwarz) ein neues, auf humaner Grundlage
beruhendes Gesetzbuch, das Allgemeine Landrecht für die
Preußischen Staaten, ausarbeiteten, das 1794 eingeführt wurde und
bis zum 1. Januar 1900 in Geltung war 0.
[Kirche und Schule.] Friedrich hielt die christliche Lehre
für die beste, gestattete aber in religiösen Angelegenheiten völlige
Freiheit der Ansichten, machte also von den Bestimmungen des
Augsburger Religionsfriedens (1555) und des Westfälischen
Friedens (1648) ebensowenig Gebrauch wie seine Vorgänger.
Schon (am 22. Juni) 1740 verfügte er an das Berliner Kon-
sistorium: „Die Religionen müssen alle tolerieret werden, und muß
der Fiskal (— Staat) nur das Auge darauf haben, daß keine der
andern Abbruch tue, denn hier muß ein jeder nach seiner Facon
selig werden.“ Ein andermal sagte er: „Würde ich mich für eine
oder die andere Religion erklären, so würde ich Parteiung, Ver-
folgung und Auswanderungen veranlassen; ich suche den ver-
schiedenen Glaubensgenossen zu zeigen, daß sie alle Mitbürger sind."“
Bei diesen Ansichten ging aber die Wärme des religiösen Gefühls
im Volke keineswegs verloren. Die Streitigkeiten der Geistlichkeit
untereinander hatten nur die Folge, daß Erziehung und Unterricht,
die bisher ausschließlich Sache der Kirche waren, dieser allmählich
entzogen und der Staatsgewalt unterstellt wurden. Bei dem
Mangel an Geldmitteln konnte allerdings für die Universitäten und
höheren Schulen nur wenig geschehen, dagegen nahm die Zahl der
Volksschulen bedeutend zu.
(1779) zu offenbarer Ungerechtigkeit verleiten: Der Müller Arnold in
Pommerzig bei Krossen war mit der Zahlung der Erbpacht an den Grafen
Schmettau mehrere Jahre im Rückstande geblieben, weil ihm von einem Guts-
besitzer das Wasser entzogen und damit der Betrieb der Mühle unmöglich gemacht
worden wäre. Auf die Klage des Grafen wurde Arnold nach den bestehenden
Rechtsbestimmungen zur Zahlung verurteilt und dieses Urteil vom Kammer--
gerichte bestätigt. Friedrich ließ nun in der Meinung, die Entscheidung sei nur
dem Adligen zugunsten gefällt worden, die Richter auf Festung bringen und
ihrer Stellen entsetzen.
1) Einzelne Teile, die in dem für das Deutsche Reich geltenden „Bürger-
lichen Gesetzbuch“ nicht behandelt sind, haben auch fernerhin noch Geltung.