88 Friedrich II. der Große.
sKunst und Wissenschaften.] Seinen Kunstsinn
bewies Friedrich der Große nicht bloß als Virtuose auf der Flöte
und als Komponist (von Sinfonien, Sonaten und Märschen),
sondern auch durch großartige Bauten und Anlage von schönen
Plätzen und Straßen in Berlin und bei Potsdam. Berlin er-
hielt damals zuerst das Aussehen einer europäischen Großstadt und
stieg von 90 000 auf 150 000 Einwohner; er baute hier das Opern-
haus und den Dom, an dessen Stelle ein 1905 eingeweihter noch
prächtigerer Neubau getreten ist, und legte den herrlichen Tier-
garten an. Bei Potsdam entstand das Schloß Sanssouci und
das Neue Palais, in dem heutzutage Kaiser Wilhelm II. während
des Sommers zu wohnen pflegt. In Sanssouci vorzugsweise lebte
der König seiner Neigung zu den Wissenschaften in Gesell-
schaft geistreicher Franzosen (z. B. Voltaires), deren Literatur er
besonders hochschätzte. Er selbst fand trotz seiner angestrengten
Herrschertätigkeit noch die Zeit, als historischer und philosophischer
Schriftsteller Hervorragendes zu leisten und seine Gedanken in einer
stattlichen Reihe von dreißig Bänden niederzulegen. Da er Frei-
mut und Offenheit auch bei anderen über alles stellte, ließ er die
Presse (Zeitungen, Zeitschriften, Bücher) frei gewähren und
schaffte die Zensur selbst für die Zeitungen ab; er sagte, die Gazetten
dürften nicht geniert sein, wenn sie interessant sein sollten 1). Von
der deutschen Literatur wollte er nicht viel wissen; seine Vor-
bildung in der deutschen Sprache war zu ungenügend und unfre
Literatur anfangs noch zu unbedeutend, als daß er sie hätte würdigen
können. Als sie aber später durch Klopstock, Lessing (geb.
1729), Goethe (geb. 1749), Schiller (geb. 1759) einen hohen
Aufschwung nahm, war er schon zu alt geworden. Und doch hegte
er die größte Hoffnung für die Zukunft, wie er z. B. sich also äußerte:
„Wir werden unsere Klassiker haben; jeder wird sie lesen, um sich zu
bereichern; unfre Nachbarn werden Deutsch lernen; die Höfe werden
es mit Entzücken sprechen; und es wird geschehen, daß unfre ver-
feinerte und vervollkommnete Sprache sich zugunsten unfrer guten.
Schriftsteller von einem Ende Europas bis zum andern ausbreitet.
Diese schönen Tage unfrer Literatur sind noch nicht gekommen, aber
1) Es darf aber nicht verschwiegen werden, daß der König sehr bald zu der
Zensur zurückkehrte und sie scharf handhaben ließ. Denn die Minister be-
klagten sich, daß so vieles Falsches und Unrichtiges geschrieben werde.