Full text: Die deutsche und die brandenburgisch-preußische Geschichte. Dritter Teil: Preußisch-deutsche Geschichte vom Tode Friedrichs des Großen bis zur Gegenwart. (3)

Friedrich Wilhelm II. 15 
volle Aufstände aus: der Bauern gegen ihre Herren, der Besitzlosen 
gegen die Besitzenden. Alle Ordnung löste sich auf, und zahlreiche 
Adelsfamilien flüchteten ins, Ausland. Die Nationalversammlung 
allein besaß noch Ansehen und Macht. Um die Aufregung nieder— 
zuschlagen, beschloß sie am 4. August die Aufhebung des 
Lehnswesens und aller Vorrechte der Geistlichkeit 
und des Adels. Aber der Sturm ließ sich nicht mehr be— 
sänftigen. Am 5. Oktober zog ein Pöbelhaufen, besonders zahlreiche 
Weiber, von Paris nach Versailles, um den König um Brot und 
um Maßregeln gegen die damals herrschende Teuerung zu bitten, 
bedrohte die königliche Familie in frecher Weise und zwang sowohl 
diese als auch die Nationalversammlung zur übersiedlung nach 
der Hauptstadt, um sie von der Pariser Bevölkerung völlig ab- 
hängig zu machen. 
[Dieneue Verfassungund die Flucht des Königs 
1791.] In Paris kam nun die begonnene Verfassung all- 
mählich zum Abschlusse. Danach traten an Stelle der alten, an 
Rechten sehr ungleich gestellten Provinzen jetzt 83 völlig gleich- 
berechtigte Departements, aus denen fortan die Abgeordneten 
für die alljährlich zu berufenden gesetzgebenden Versammlungen 
gewählt werden sollten. Danach wurde ferner die Leibeigen- 
schaft aufgehoben, der Grundbesitz für verkäuflich und teilbar 
erklärt, die Besteuerung und die Gerichtsbarkeit für alle 
gleich gemacht, der Zutritt zu den Amtern nur nach Tüchtigkeit, 
nicht mehr nach Geburt und Reichtum gestattet. Danach wurden 
endlich die geistlichen Güter eingezogen, um der Finanznot 
des Staates abzuhelfen, die Mönchsorden aufgehoben und die 
Priester, die den Eid auf die neue Verfassung schwören sollten, in 
Staatsbeamte verwandelt. Aber selbst hiermit gab man sich noch 
nicht zufrieden: überall im Lande bildeten sich vielmehr Jako- 
binerklubs (so genannt nach ihrem ursprünglichen Ver- 
sammlungsorte, einem Dominikanerkloster in der Jakobsgasse zu 
Paris), die das Bestreben hatten, die Unzufriedenheit des Volkes 
zu mehren, Aufstände zu erregen und einen noch weit gründlichern 
Umsturz der Verhältnisse gewaltsam herbeizuführen. Der König sah 
sich nach dem Tode des Grafen Mirabeau, der in Schrift und Tat 
für eine Verstärkung der königlichen Machtbefugnisse eingetreten 
war, seines besten Ratgebers beraubt (April 1791) und suchte im
	        
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