Full text: Allgemeine Staatslehre

Viertes Kap. Bezieh. d. Staatslehre z. Gesamtheit d. Wissenschaften. 79 
Einverleibung und andere Vorgänge in einen anderen Staats- 
verband aufgenommen werden, und es können demgemäß auch nach 
Untergang des Staates die Bewohner des Gebietes erhalten bleiben, 
allein auch gänzliche Vertreibung oder Ausrottung der bisherigen 
Bewohner und Ersetzung durch Eroberer hat die Geschichte oft 
gesehen. Auch durch Wanderungen, Vermischung mit siegenden 
Stämmen kann ein Volk allmählich ein anderes werden. Solch 
tiefgreifender Wechsel ist in historischer Zeit bei aller Änderung 
durch Natur und Kultur beim Gebiete ausgeschlossen. 
2. Die zweite natürliche Grundlage des Staates ist die 
physische Ausstattung seiner Bewohner, sowohl die allen Menschen 
gemeinsame als die, welche bestimmten, durch dauernde physische 
Merkmale geschiedenen Abteilungen des Menschengeschlechtes, 
den Rassen und Stämmen, eigentümlich ist. Besondere Wissen- 
schaften, die physische Anthropologie und Ethnologie, 
haben sich mit diesem Teile der menschlichen Natur zu be- 
schäftigen. Leben und Schicksale des Staates werden auf das 
tiefste durch die Naturanlage seiner Glieder bestimmt!). Es 
gibt Stämme, die überhaupt nicht imstande sind, sich ein über 
die ersten Rudimente „hinausgehendes Staatswesen zu schaffen 
oder ein entwickeltes Staatswesen dauernd zu erhalten. Daß 
solche Stämme entweder auf der Stufe eines Naturvolkes stehen 
bleiben oder nur ın dauernder rechtlicher Unterwürfigkeit unter 
anderen Völkern leben können, beweist, daß die Anlage zum 
Staate — allerdings nicht in der Form eines mvsteriösen orga- 
nischen Staatstriebes — mit zur Naturausstattung eines Volkes 
gehört oder, wo sie ursprünglich nicht vorhanden war, durch 
jahrhundertelange Gewöhnung und Anpassung erworben werden 
mußte. 
Aber auch die eigentümliche Ausgestaltung, die jeder Staat 
erfährt, ist in vielen wichtigen Punkten auf Rassen- und Stammes- 
eigenschaften zurückzuführen. Freiheit und Unfreiheit der Bürger, 
Stärke oder Schwäche der Staatsgewalt, Ausdehnungsfähigkeit 
des Staates durch Krieg und Kolonisation sind mit in dem mit 
unseren gegenwärtigen Forschungsmitteln nicht weiter ableitbaren 
Charakter des Volkes begründet. Die tiefgreifenden Unterschiede 
der germanischen, romanischen, slawischen, orientalischen Staaten 
  
1) Offen bleibe an dieser Stelle die Frage, inwieweit diese physischen 
Merkmale und Anlagen Ergebnisse durch ungemessene Zeiten wirkender 
historischer Ursachen sind.
	        
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