82 Erstes Buch. Einleitende Untersuchungen.
siichlichen überschritten und der der Hypothese und Konstruktion
betreten wird, große Willkürlichkeit und wenige feststehende Er-
gebnisse zu finden sind, so sind doch vielversprechende Anfänge,
die später einmal reife Früchte zeitigen können, zu verzeichnen.
Auch die detaillierte Lehre von dem rudimentären Staatsleben
der Jäger- und Hirtenvölker sowie der auf der niedersten Stufe
stehenden Naturvölker wird von der Staatslehre billig auszu-
scheiden und der Völkerkunde zu überlassen sein. Für die Staats-
Ichre sind nur die definitiven Resultate auf diesem Gebiete von
Bedeutung.
2. Die Beziehungen der Staatslehre zu den
Sozialwissenschaften.
a) Das Problem.
Weitaus am wichtigsten für eine vollendete Erkenntnis des
Staates sind die Beziehungen, welche die staatlichen Erscheinungen
zu den Sozialwissenschaften haben. Der Staat ist auf das
innigste mit allen sozialen Phänomenen verknüpft.
Vor allem sei darauf hingewiesen, daB der Staat eine
menschliche und nur eine menschliche Institution ist, daß alle
Übertragung des Staatsbegriffes auf gesellig lebende Tiere nichts
als ein falsches Bild ist, auf der Verwechslung notwendiger
Folgen phvsischer Organisation und instinktartig sich äußernder
psychischer Kräfte mit dem Wirken ethischer Kräfte beruhend.
Zudem hat besonnene naturwissenschaftliche Beobachtung neuestens
erkannt, daß die von alters her zu staatswissenschaftlichen
Analogien benutzten angeblichen Tierstaaten der Ameisen und
Bienen, deren Wesen im Gegensatz zu den politischen Er-
scheinungen keinem Wandel unterworfen ist, in Wahrheit Anarchien
sind, denen jeder bewußt leitende Wille mangelt. Man kann
daher — auch bei höheren Tieren — nur von Tiergesellschaften
mit Fug und Recht sprechen: es gibt untermenschliche Sozial-
verhältnisse, aber keinen untermenschlichen Staat!).
1) Vgl. Wundt Vorlesungen über Menschen- und Tierseele, 28. Vorl.,
5. Aufl. 1911 S.499ff.; Espinas Des societes animales 2.&d. 1878
p- 527 ff. (deutsche Ausgabe von Schloesser 1879 S. 507 ff.);
H.E. Ziegler Die Naturwissenschaft und die sozialdemokratische Theorie
1893 S.182ff.; Bethe Dürfen wir den Ameisen und Bienen psychische
Qualitäten zuschreiben? Pflügers Archiv für die gesamte Physiologie
10. Bd. 1895 S. 15ff. Gegen Bethe Waßmann, Die psychischen Fähig-