Full text: Allgemeine Staatslehre

96 Erstes Buch. Einleitende Untersuchungen. 
kehr und das internationale Recht sind nur möglich, weil 
die Gesellschaft eine Reihe internationaler Elemente in sich 
birgt?). 
Der Begriff der Gesellschaft im engeren Sinne ist nur in 
der hier gegebenen Definition haltbar. Jede Ausscheidung be- 
stimmter Gruppen aus ihr, wie z. B. der Familie, oder gar ihre 
Reduzierung auf die wirtschaftlichen Klassen läßt sich wissen- 
schaftlich nicht rechtfertigen. In jeder solchen Begrenzung liegt 
bereits ein gutes Stück aprioristischer Konstruktion, die das ver- 
nachlässigt, was ihr nicht frommt. 
Daraus ergibt sich aber, daß eine strenge Scheidung und 
Gegenüberstellung von Staat und Gesellschaft unmöglich ist. Der 
Staat selbst ist vielmehr eine der Gesellschaftsformen, die sowohl 
Voraussetzung als auch Produkt der anderen ist. Keine Gesell- 
schaftsgruppe läßt sich außerhalb des Staates oder doch ohne 
ihn denken, daher der ganze Gesellschaftsbegriff kritischen Be- 
denken begegnet ist, die insofern recht haben, als ein nicht bloß 
begriffliches Isolieren von Staat und Gesellschaft unmöglich ıst. 
Vielmehr werden einerseits alle übrigen Gesellschaitsgruppen 
direkt oder indirekt vom Staate beeinflußt, anderseits wirkt der 
Staat selbst gruppenbildend: die Bureaukratie, das Heer sind 
nicht nur staatliche Institutionen, sondern auch gesellschaftliche 
Gruppen, die wieder unabhängig von ihrem Erzeuger auf dessen 
Gestaltung und Leben zurückwirken. Bei der inneren Kohärenz 
aller Elemente der menschlichen Gemeinschaft muß jedes von 
ihnen auf alle anderen einen mehr oder minder meßbaren Ein- 
fluß haben. 
In dieser Kohärenz der Gesellschaftsgruppen liegt die Be- 
deutung der Gesellschaftslehre für die Staatslehre. Daraus ergibt 
sich zweierlei. Einmal, daß das gesamte Leben des Staates nur 
aus der Totalität des gesellschaftlichen Lebens begriffen werden 
kann. Sodann aber sowohl die Selbständigkeit der sozialen 
Staatslehre als einer besonderen Disziplin der Sozialwissen- 
schaften als auch die Erkenntnis, daß jede andere sozial- 
wissenschaftliche Lehre ihre notwendigen Beziehungen zur Staats- 
lehre hat. 
3. Um die Beziehung des Staates zur Gesamtheit der übrigen 
sozialen Bildungen eingehend zu erörtern, ist der Klarheit halber 
  
1) Diesen Ausführungen gibt Esmein, p.26f., einen Sinn, der 
ihnen, trotz seiner weiteren Bemerkung p.31, nicht völlig gerecht wird.
	        
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