Full text: Allgemeine Staatslehre

104 Erstes Buch. Einleitende Untersuchungen. 
primitiven menschlichen Gemeinverhältnisse aufstellen *). Streng 
zu sondern ist daher, was Ergebnis ruhiger geschichtlicher For- 
schung, von dem, was Resultat der Hypothese und Spekulation 
auf dem Gebiete der ethnologischen und prähistorischen Unter- 
suchung ist, welche, die unendliche Variabilität der menschlichen 
Verhältnisse außer acht lassend, häufig einen einzigen Ürtypus 
für die Familie oder den der Familie vorhergehenden Zustand auf- 
stellt?2). Doch ist das, was immerhin an gesicherten Ergebnissen 
bereits vorliegt, von großem: Wert für das Verständnis des Ür- 
sprungs, des Wandels und der Umbildung der primitiven sozialen 
Einrichtungen, deren wechselnde Gestaltung von größter Bedeu: 
tung für den Staat geworden ist. Daß Vaterrecht und Mutterrecht, 
die beide als nicht weiter ableitbare familienrechtliche Urformen 
uns bei verschiedenen Völkern entgegentreten®), Polygamie und 
Monogamie, Stärke und Dauer der väterlichen Gewalt den ur- 
sprünglichen rudimentären Bau des Staates mitbestimmt haben, 
ist auf den ersten Blick klar. Auch die Familie entwickelterer 
Kulturstufen in ihrer Gestaltung als Machtverband sowohl wie 
als Wirtschaftsgenossenschaft ist von tiefgreifender politischer 
Bedeutung: man denke nur an Erscheinungen wie die Haus- 
sklaverei, an die Herrscherstellung des arıschen Hausvaters, an 
die genossenschaftliche Gestaltung der germanischen Geschlech- 
ter. Durch natürliche oder soziale Vorgänge erweiterte einzelne 
Familien, namentlich aber die Sippen, Gentes, Phvlen, Clans 
usw., können sich unter Umständen bereits als unabhängige 
Machtverbände und damit als beginnende Staaten darstellen. 
  
1) Gegen die einseitigen Konstruktionen von Bachofen Das Mutter- 
recht 1861, Mac Lennan Primitive Marriage 1865, Giraud-Teulon 
Les origines du mariage et de la famille 1884, Morgan Ancient Society 
1877 vgl. Starcke Die primitive Familie 1888 und Westermarck 
The History of Human Marriage 1891; L.Brentano Zeitschrift für 
Sozial- und Wirtschaftsgeschichte I S. 101ff.; Grosse Die Formen der 
Familie und die Förmen der Wirtschaft 1896; H.Schurtz Altersklassen 
und Männerbünde 1902. Zur Vorsicht mahnten schon die Ausführungen 
von Ch.Darwin Die Abstammung des Menschen. Aus dem Englischen 
von Carus II 20. Kap., vgl. auch Ziegler a.a.O. S. 50 ff. 
?) So neuerdings, namentlich im Anschluß an Morgan, Schmoller 
Die Urgeschichte der Familie: Mutterrecht und Gentilverfassung. Jahr- 
buch für Gesetzgebung XXIII S. 1 ff. 
3) Darüber, daß den Ariern das Mutterrecht völlig unbekannt war, 
vgl. Schröder Deutsche Rechtsgeschichte; 5. Aufl. 1907 S.65, und die 
daselbst Note 25 zitierte Literatur.
	        
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