Full text: Allgemeine Staatslehre

Viertes Kap. Bezieh, d. Staatslehre z. Gesamtheit d. Wissenschaften. 119 
halh sie sich, als getrennte Nationen fühlen. Der Staat ist 
ebenfalls kein notwendiges Element. der: Nation, da nicht. alle 
Nationen staatlich .geeint sind. und mehrere ‚Nationen oder Teile 
von :Nationen ‚in einem ‚Staate leben, können. Anderseits hat ge 
meinsame staatliche ‚Beherrschung auf Grund räumlicher Gemein- 
schaft!) in höchstem Grade zur Ausbildung der Nationen. beı- 
getragen: 
lst es demnach unmöglich, ein cinziges sicheres, objektives 
Kriterium der Nation anzugeben, so kann ein solches’ auch nicht 
durch eine feststehende Kombination mehrerer Elemente gefunden 
werden. Daraus ergibt sich, daß die Nation nichts Objektives 
im Sinne: des äußerlich Existierenden ist. Sie gehört. vielmehr 
zu der großen Klasse sozialer Erscheinungen, die mit äußeren 
Maßstäben überhaupt nicht gemessen werden können. Nation ist 
vielmehr etwas wesentlich Subjektives, d.h das Merkmal eines 
bestimmten Bewußtseinsinhaltes. Eine Vielheit von Menschen, die 
durch eine Vielheit gemeinsamer, eigentümlicher Kulturelemente 
und eine gemeinsame geschichtliche Vergangenheit sich geeinigt 
und dadurch von anderen unterschieden weiß, bildet eine Na- 
tion?). Die objektive, durch gemeinsame Abstammung begründete 
Genieinsamkeit einer Vielheit, die Rassen- oder Stammeseinheit 
ist so alt, wie die historische Erinnerung zurückreicht, und weit 
darüber hinaus. Die subjektive Einheit der Nation hingegen ist 
ihrer Natur nach ein Produkt höherer Kultur: und tritt daher, 
obwohl schon längst im Keime vorhanden, In voller Stärke erst 
in neuester Zeit auf. Solange sie gar nicht oder nur in. schwachen 
Anfängen da ist, gibt es keine auf irgendwelche innere Qualitäten 
des Volkes aufgebaute politische Theorie. Daß innerlich zu- 
sammenhängende und daher ım Gegensatz zu anderen, auf gleiche 
  
1; Den geographischen Raum als Grundlage der Entstehung der 
Nationen hebt hervor A. Kirchhoff, Was ist national? 1902 S. 14ff. 
Vgl. auch R.Schmidt I S. 132f£f. 
2) E.Renan Qu’est ce qu’une nation 1882: „Une nation est une 
äme, un principe spirituel,‘ ‘p. 26. ‚„L’homme n’est esclave ni de sa race, 
ni de sa langue, ni de sa religion, ni du cours des fleuves, ni de la 
direction des chaines- de montagnes. Une grande agregation d’Iıommes, 
saine d’esprit et chaude de c@ur,.,cree une conscience morale qui s’appelle 
une nation,“ p.29. Nation im eigentlichen Sinne ist: „eine größere Be- 
völkerung, die infolge hoher, eigenartiger Kulturleistungen ein eigenartiges 
gemeinsames Wesen gewonnen hat, das sich auf weiten Gebieten”"von 
Generation zu Generation überträgt“. Neumann S. 132.
	        
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