Full text: Allgemeine Staatslehre

Sechstes Kapitel. 
Das Wesen des Staates. 
  
I. Die Erkenntnisarten des Staates. 
Ehe an die Lösung des wichtigsten und schwierigsten Grund- 
problems der Staatslehre, der Erkenntnis der Natur des Staates, 
gegangen wird, müssen zuvor die möglichen Standpunkte auf- 
gesucht werden, von denen aus eine Erkenntnis des Staates vor- 
genommen werden kann. 
Der Staat findet erstens seine Stelle in der Gesamtheit des 
Geschehens, er tritt uns entgegen als ein Teil des Weltlaufs und 
damit des Realen im Sinne des Objektiven, außer uns Befind- 
lichent). Er ist eine Vielheit von Vorgängen, die in Raum und 
Zeit sich abspielen. Diese Vorgänge müßte auch der wahr- 
nehmen können, der nichts Näheres über den Menschen und 
seine Zwecke wüßte, denn das außer uns seiende Reale ıst als 
solches ohne jede Innerlichkeit. So sehen und erkennen wir in 
untermenschlichen Verhältnissen die sozialen Handlungen ge- 
wisser Tiergattungen. Die Vorgänge im Bienenstock, im Ameisen- 
haufen nehmen wir wahr, ohne sie deshalb auch richtig deuten 
zu können. Noch heute ist die Wissenschaft lange nicht ım 
klaren, auf welchen organischen oder psychologischen Kräften die 
diese Tiergesellschaften ins Dasein rufenden Instinkte beruhen, 
d.h. nur die äußeren sich hier abspielenden Vorgänge sind uns 
genau bekannt, nicht aber die von innen heraus, in jedem Glied 
der Gesellschaft wirkenden Mächte. Wir deuten sie unwillkürlich 
durch Analogie mit unserer Innerlichkeit. Wäre uns die nicht 
gegeben, so würden wir überhaupt nur ein buntes und sinnloses 
Durcheinander in solchen Gesellschaften nicht-menschlicher Orga- 
nismen sehen. 
Eine solche den Staat ausschließlich von außen betrachtende 
  
1!) Die letzte erkenntnistheoretische Frage nach der transzendenten 
Bedeutung dieses Objektiven bleibt hier außer Spiel.
	        
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