Full text: Allgemeine Staatslehre

140 Zweites Buch. Allgemeine Soziallehre des Staates. 
Ausgeschlossen aber bleiben jene zahlreichen Lehren, die 
überhaupt nicht den gegebenen Staat zum Inhalt haben, sondern 
Idealtvpen des Staates jedweder Form?). Weder Utopien noch 
politische Ideale irgendwelcher Art sind Gegenstand theore- 
tischer Staatswissenschaft. Sie können nach anderer Richtung 
hin, für Geschichte, Ethik und Politik, Bedeutung gewinnen. 
Solche Idealtypen geben sich zwar auch als Beurteilungsnormen 
des Vorhandenen, unterscheiden sich aber sehr wesentlich von 
Rechtsnormen. Denn das Recht ist stets positiv, d.h. ein all- 
gemein anerkannter Maßstab des Bestehenden, während der 
Idealtypus des Staates nach Anerkennung ringt, ohne sie jemals 
erreichen zu können. Zu den bleibenden Unterschieden, welche 
die Menschen trennen, gehören vor allem die politischen Ideale. 
II. Die einzelnen Staatstheorien. 
A. Theorien vom überwiegenden objektiven Sein 
des Staates. 
Eine konsequent durchgeführte Theorie vom objektiven Sein 
des Staates ohne jede Berücksichtigung subjektiver Elemente 
ist wissenschaftlich unmöglich. Nichtsdestoweniger hat es viele 
Theorien gegeben, welche der Meinung waren, ein gänzlich 
außerhalb der menschlichen Innerlichkeit sich abspielendes Sein 
des Staates zu erkennen. Wir wollen diese Lehren als Theorien 
vom überwiegenden objektiven Sein des Staates bezeichnen. 
1. Der Staat als Tatsache. 
Der Staat ist etwas tatsächlich Gegebenes, d. h. keine Ab- 
straktion, kein bloßes Gedankending. Diese Behauptung kehrt 
in der neueren Literatur öfters wieder?). Irgendein klarer 
  
1) Die unter dem Einfluß der spekulativen Philosophie lange Zeit 
übliche Unterscheidung des ıdealen und empirischen Staatsbegriffes ist 
von den meisten Staatstheoretikern heute aufgegeben. Doch behauptet 
noch z.B. Brie, Theorie d. Staatenverbindungen 1886 S. 2, jenes Doppel- 
wesen des Staatsbegriffes, wie denn auch Rehm, Staatslehre S. 11, von 
einem philosophischen Staatsbegriff spricht. 
2) Z.B. Jordan Versuche über das allgemeine Staatsrecht 1828 
S.15ff.; K.S.Zachariae a.a.0.1S.51: „Es versteht sich von selbst, 
daß..... der Staat das ist und bleibt, was er seinem Gattungsbegriff 
nach sein soll und muß — die Tatsache oder das faktische Verhältnis, 
daß die Menschen, alle oder mehrere, einer Rechtsgewalt unterworfen
	        
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