142 Zweites Buch. Allgemeine Soziallehre des Staates.
pflegen es sich an ihren Schlagworten genügen zu lassen und
vermengen, selbst wenn man sich auf ihren Standpunkt stellt, die
Ursache des Staates mit diesem selbst. Zudem wird in solcher
Betrachtung ein Staatsrecht für das folgerichtige Denken unmög-
lich, da das Faktum von ihnen dem Recht gleichgesetzt wird!).
2. Der Staat als Zustand.
Schon die Etymologie des Wortes ‚Staat‘ weist auf diese
Lehre hin, die sich zuerst im Naturrecht in verschiedener Form
zeigt. Der Staat wird vom Naturrecht als status civilis im Gegen-
satz zum status naturalıs betrachtet, oder vielmehr zunächst die
Qualität der einzelnen, die sich im Staate befinden. Dadurch
wird der Staat selbst zu einem Zustand, und zwar, näher be-
zeichnet, zu einem Zustand der Beherrschung?). Als eine Varia-
1) In Frankreich huldigt solcher Auffassung Duguit L'Etat I p. 9
(vgl. auch Trait& I p.49). Den Staat erklärt er, für „un groupement
humain, fixe sur un territoire determine, oü les plus forts imposent
leur volonte aux plus faibles“ — wonach bereits eine feindliche Invasıon
im Kriege das Bild eines Staates böte. (Daß diese Lehre in die Herrscher-
theorie einmündet, vgl. weiter unten.) An Duguit, dessen Grundideen
sonst in Frankreich abgelehnt werden (vgl. Duguit Traite I p. 108££.),
hat sich J&ze, Les principes generaux du droit administratif, Paris-
Nancy 1904, p.15ff.,, angeschlossen. Über beide Schriftsteller Otto
Mayer in der Festgabe für Laband I 1908 S.5f. Gegen Duguit
D.Gusti in Schmollers Jahrbuch XXXII 1909 S. 1770. — Hauriou,
Precis de droit administratif et de droit public general, 5äme dd.,
Paris 1903, p. 2, ähnlich 7. ed. 1911 p. 106 und Principes de droit public
1910 p. 100, faßt den Staat dualistisch als ‚„organisme public“ und als
„milieu de vie“ auf. Ebenso scheiden Polier et de Marans (Schüler
Haurious), Esquisse d’une theorie des Etats composes, Toulouse 1902,
p. 34, den Etat-Personne oder Etat-Puissance vom Etat-Milieu. Worin
aber dieses milieu, in dem das soziale \Vesen des Staates zu suchen ist,
näher besteht, erfährt man nicht. — Eine ausführliche kritische Würdigung
der Lehren Duguits und Haurious bringt nunmehr L.Michoud in der
Festschrift für Otto Gierke 1911 S.493ff. Vgl. auch K.Strupp im
Arch. d. Öff. Rechts XXX 1913 S. 488 ff.
2) Z.B. Kant Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre 843:
„Dieser Zustand der einzelnen im Volke im Verhältnis untereinander
heißt der bürgerliche (status civilis) und das Ganze desselben, in
Beziehung auf seine eigenen Glieder, der Staat (civitas).“ Auch Haller
mit seiner der naturrechtlichen entgegengesetzten Lehre gehört hierher,
wenn er, Restauration der Staatswissenschaften 2. Aufl. I S.463, den
Staat als ‚die höchste Gradation natürlicher Dienst- und Sozietäls-
verhältnissc“ bezeichnet. Ferner Zöpfl Grundsätze I S. 17: Staat = Zu-