Full text: Allgemeine Staatslehre

154 Zweites Buch. Allgemeine Soziallehre des Staates. 
teleologischen Betrachtungsweise darbietet, deren transzendente 
Bedeutung wir nicht zu erkennen vermögen. 
Eine auf dem Boden des Gegebenen stehende wissenschaft- 
liche Kritik hat demnach von der Hypothese der sozialen Ge- 
bilde als real existierender Organismen, die iranszendenter Art 
sind, völlig abzusehen. Nur die Zulässigkeit der organologischen 
Hypothese als einer Form der Synthese der außer uns sich ab- 
spielenden sozialen Vorgänge ıst von ihr zu prüfen. 
Da ergibt sich zunächst, daß am wenigsten gerechtfertigt 
die Übertragung der Organismusvorstellung auf die Gesellschaft 
ist!). Denn der Gesellschaft fehlt vor allem die Geschlossenheit, 
die Abgrenzung nach außen, welehe der Organismus aufweist. 
Ein sozialer Körper existiert nicht einmal in der Abstraktion, da 
die Gesellschaft über die staatlichen Grenzen’ hınausreicht, ohne 
daß man sagen könnte, wo sie ihr Ende findet. Der Gesell- 
schaft fehlt ferner die innere Einheit, deren Aufweisung und 
Erfassung einer der wesentlichsten Zwecke der organisehen 
Theorie ist; es mangelt ihr selbst in unserer Vorstellung jegliche 
Substanzialität. 
Anders steht es mit dem Staate und dem in seinem Ver- 
bande begriffenen Volke. Der Staat erscheint uns als innere, 
von einem Willen gelenkte Einheit seines Volkes. Gewisse Ver- 
hältnisse und Merkmale der natürlichen Organismen überträgt 
nun die organologische Hypothese auf Staat und Volk, ver- 
meinend, dadureh diese sowohl verständlicher zu machen als auch 
eine höhere Form der Synthese für natürliche ‚und politische 
Erscheinungen gefunden zu haben. Solcher Art ist die Einheit 
in der Vielheit, die den Staat und sein Volk im Wechsel ihrer 
Glieder als stets dieselben erscheinen läßt, sodann die lang- 
same Umbildung beider im Laufe der Gesehichte, ferner die 
Wechselwirkung, in der die Glieder des Ganzen und seine ein- 
zelnen Funktionen zueinander derart stehen, daß das Ganze 
um der einzelnen willen, diese hinwieder aber um des Ganzen 
willen dazusein scheinen, sowie das durchgängige gegenseitige 
Sichbestimmen der untereinander in Beziehung tretenden Ver- 
bandsmitglieder. Endlich die unreflektierte, sogenannte natur- 
wüehsige Bildung und Ausbildung der staatlichen Institutionen, 
  
1) Hierüber treffende Bemerkungen bei Rümelin Reden und Auf- 
sätze III S. 2631.
	        
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