164 Zweites Buch, Allgemeine Soziallelıre des Staates,
herein ein Kriterium der richtigen juristischen Lehre vom Staate,
daß sie die Einheit des Staates zu erklären vermag.
Wenn im folgenden die einzelnen juristischen Theorien vom
Staate erörtert werden, so kann Jas selbstverständlich nur vom
Standpunkte unserer heutigen entwickelten publizistischen Wissen-
schaft geschehen. Jede Epoche hat ihre besonderen Rechts-
begriffe, die, an dem Maßstab anderer Zeiten gemessen, die Probe
nicht bestehen können. Bei aller Anerkennung historischer Be-
dingtheit unseres juristischen Denkens kann aber für eine be-
stimmte Epoche nur eine Art der rechtlichen Auffassung einer
Erscheinung als gültig erkannt werden. Zudem lohnt es sich
kaum, enischwundene Rechtsvorstellungen nicht nur zu konsta-
tieren, sondern sie auch auf Grund des ganzen Rechtssystems,
dem sie entsprossen, eingehender dogmatischer Erörterung zu
unterziehen.
Es sind nun drei Möglichkeiten für die juristische Erfassung
des Staates gegeben. Entweder ist der Staat Rechtsöbjekt!), oder
Rechtsverhältnis, oder Rechtssubjekt.
1. Den Staat als Objekt aufzufassen, ist konsequenterweise
nicht möglich. Denn jedes Rechtsobjekt setzt ein Subjekt voraus.
Dieses Subjekt können aber nur die den Staat lenkenden Men-
schen sein. Die Lehre vom Staate als Objekt entsteht also da-
durch, daß der Staat zerrissen und eines seiner wesentlichen
Elemente ıhm selbst gegenübergestellt wird. Folgerichtig kann
diese Lehre schon deshalb nicht durchgebildet werden, weil von
ihr aus die Anerkennung der Untertanen als Rechtssubjekte durch
den Staat nur durch Trugschlüsse herbeigeführt werden kann.
Ist das Volk und damit jedes Volksglied für den Staat nur Ob-
jekt, so kann es nicht zugleich für ihn Subjekt sein. Eine im
Eigentum des Herrn stehende Sklavenherde kann also konstruiert
werden, nicht aber ein Gemeinwesen. Es hat Zeiten gegeben,
wo die Menschen den Staat derart auffassen zu können glaubten;
hat dies doch die absolutistische und patrimoniale Staatslehre
in ihren Ausschreitungen bis in unser Jahrhundert hinein getan.
Allein selbst eine noch so weit der Sachherrschaft ähnelnde
1) Selbstverständlich mit dem Vorbehalt einer kritischen Prüfung
der Zulässigkeit einer solchen Auffassung. Das übersieht wohl Menzel
im Hdbch.d. Politik I S.41 N.25. Es handelt sich hier vorerst doch nur
um die versuchsweise Anwendung allgemeiner juristischer Kategorien auf
den Staatsbegriff.