182 Zweites Buch. Allgemeine Soziallehre des Staates.
besitzt, ob ihr in der objektiven Natur der Dinge etwas entspricht,
ob die Einheiten, die wir denknotwendig durch Anwendung des
Zweckbegriffes bilden, auch unabhängig von unserem Denken in
irgendeiner Form existieren, wissen wir nicht und können wir
mit den Hilfsmitteln wissenschaftlicher Forschung nicht fest-
stellent). An diesem Punkte hat unser sicheres Wissen ein Ende
und die metaphysische Spekulation ihren Anfang. Diese Grenze
soll hier nicht überschritten werden.
2. Der juristische Staatsbegriff.
An diesen hier entwickelten Begriff vom Staate hat die
juristische Erkenntnis des Staatsbegriffes sich anzuschließen. Ob
1 E. Loening, a.a.0. S.701:., wendet sich ın längerer Polemik
scheinbar gegen meine obigen Ausführungen, in Wahrheit aber gegen
deren gerades Gegenteil. Wo hätte ich jemals den Satz auf-
gestellt, daß unseren Abstraktionen außerhalb unseres Bewußtseins
irgendeine Existenz zukommt? Vielmehr habe ich die Behauptung einer
solchen Existenz stets in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise
dem unkritischen Dogmatısmus überlassen. Einem solchen huldigt auch
Loening, für den es eine sicher zu erschließende objektive Welt gibt,
von der wir ohne weiteres durch Selbstbesinnung das trennen können,
was nur psychologisch, ohne zwingende logische Notwendigkeit in uns
durch zu bestimmten Zwecken geübte Abstraktion entsteht. Daher meint
er auch, daß Rechtsbegriffe nur in uns, Rechtsverhältnisse aber reai
außer uns existieren. In seinen Ausführungen aber befolgt er genau die
von ihm abgelehnte Methode. Die von mir aufgeworfene Frage nach der
Art der Einheit des Staates beantwortet er (S. 702£.) dahin, daß wir nur
in unserer Vorstellung die Vielheit der Rechtsverhältnisse zu einer Einheit
zusammenfassen, behandelt diese subjektive Einheit aber durchaus, wie
wenn sie eine reale Substanz wäre. Er spricht von der Identität des
Staates als einer von den einzelnen Rechtsverhältnissen unabhängigen
objektiven Tatsache, er schreibt dem Staate Aufgaben zu, läßt den Staat
in die Zukunft wirken, er untersucht die Funktionen des Staates, lauter
Denkoperationen, die den Staat unter der Kategorie der Substanz be-
trachten. Er bestätigt damit, daß nicht die unzähligen Willensverhältnisse,
dıe für uns die letzten Elemente des Staates sind, zu denen wir vor-
dringen können, sondern nur die Begriffe, die wir aus den Erscheinungen
gemäß den Bedürfnissen unseres synthetischen Denkens bilden, einer
gedeihlichen Erkenntnis dessen, was wir vom Staate wissen können und
zu wissen verlangen, zugrunde gelegt werden müssen. Alle Versuche,
jene letzten erkennbaren Elemente der sozialen und insbesondere der
rechtlichen Vorgänge unmittelbar einer Erklärung der unendlich kom-
plizierten Erscheinungen des Lebens zugrunde zu legen, können höchstens
zu unfruchtbarer Scholastik führen. Ein schlagendes Beispiel hierfür beı
Hold v.Ferneck I S. 267£f.