Full text: Allgemeine Staatslehre

186 Zweites Buch. Allgemeine Soziallehre des Staates. 
blem handle, von der ganzen Frage abt). Die staatsrechtlichen 
Systeme der letzten dreißig Jahre erwähnen sie nicht, da ihnen 
das geschichtliche Dasein den Staat vollauf zu rechtfertigen scheint. 
Erst die sozialistische Kritik im Verein mit den Aufstellungen des 
Anarchismus haben die Gegenwart die hohe Bedeutung des Pro- 
blems von neuem kennen gelehrt. 
Unter dem Einflusse naturrechtlicher Anschauungen hat man 
bisher die hierher gehörigen Lehren als die vom Rechts- 
grunde des Staates bezeichnet. Diese Bezeichnung ist unklar 
und unrichtig, da sie juristische und ethische Rechtfertigung mit- 
einander vermengt. Eine rein juristische Rechtfertigung ist, wie 
gezeigt werden wird, für den Staat unmöglich. Vielmehr handelt 
es sich hier um die in letzter Instanz rein ethische Frage, ob 
der Staat auf Grund einer über dem einzelnen und dem Staate 
und seinem Rechte stehenden Notwendigkeit anzuerkennen sei 
oder nicht. 
Zahllos sind die ethischen Theorien und mit ihnen die Ver- 
suche, den Staat zu rechtfertigen. Doch lassen sich all diese 
Lehren auf bestimmte Grundgedanken reduzieren, in eine geringe 
Zahl von allgemeinen Kategorien bringen. 
Fünf von Grund aus verschiedene Wege sind es nämlich, 
mit denen die Notwendigkeit des Staates erwiesen werden kann. 
Diese Wege sind: Begründung des Staates durch eine religiöse, 
durch eine physische, durch eine rechtliche, durch eine 
sittliche, durch eine psychologische Notwendigkeit. Sie 
seien zunächst im folgenden dargestellt und geprüft. 
U. Die einzelnen Theorien. 
l. Die religiös-theologische Begründung des 
Staates. 
Der Staat ist kraft göttlicher Stiftung oder göttlicher Fügung 
da, daher jeder nach göttlichem Gebot verpflichtet ist, ihn an- 
zuerkennen und sich seiner Ordnung zu unterwerfen. Diese Lehre 
ist die älteste und verbreiteiste, notwendig geltend bei den 
  
ı) In der Regel wurden nämlich die hier zu behandelnden Lehren 
auf den idealen, die Frage nach der historischen Entstehung auf den 
empirischen Staat bezogen. So vor allem Hegel Grundl. d. Philosophie 
d. Rechts 8258; ferner H.A.Zachariae Deutsches Staats- u. Bundes- 
recht I S.57; H.Schulze Einleitung S.139; Trendelenburg Natur- 
recht S. 344 ff.; Lasson Rechtsphilosophie S. 293 ff. u. a.
	        
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