Full text: Allgemeine Staatslehre

190 Zweites Buch. Allgemeine Soziallehre des Staates. 
abgeleitet hat. So haben die Aufständischen im Bauernkriege 
ihre Forderungen auf das Evangelium gestützt und Luther sie 
mit dem Evangelium auf das äußerste bekämpft. Die prote- 
stantischen Monarchomachen des 16. Jahrhunderts haben nicht 
minder wie die spanischen Jesuiten jener Zeit die energische 
Bekämpfung des ihrer Kirche feindlichen Königs als ein von 
Gott gebotenes Werk hingestellt. Jakob I. hat das göttliche Recht 
der Stuarts proklamiert, und die Puritaner haben unter Berufung 
auf göttliches Gebot seinem Sohn das Haupt abgeschlagen. So- 
wohl das Commonwealth of England als die republikanische 
Staatenbildung in Neuengland gehen vor sich unter der Ein- 
wirkung der Vorstellung, daß nach göttlicher Anordnung die 
höchste kirchliche wie politische Gewalt stets in der Volks- 
gemeinde ruhen müsse. Aber auch der fürstliche Absolutismus 
betrachtet sich als von Gottes Gnaden eingesetzt; Bossuet be- 
weist aus der Heiligen Schrift, daß er die beste, gotigewollte 
Staatsform sei, daß die Könige die Stellvertreter Gottes und 
ıhr Thron ın Wahrheit Gottes Thron sei, und Ludwig XWV. 
äußert sich über seine Stellung in ähnlicher Weise. In der auf 
die französische Revolution folgenden Epoche der Reaktion und 
Restauration bemächtigen sich die Anhänger der Legitimitäts- 
lehre und die Mitglieder der von der Revolution zurück- 
gedrängten Gesellschaftsschichten dieser Ideen und behaupten, 
daß nur eine geschichtlich überkommene, ihren Ansprüchen zün- 
stige Verfassung die göttliche Sanktion besitze. Was die fran- 
zösischen Legitimisten begannen, ist sodann zuerst von deut- 
schen katholisierenden Schriftstellern aufgenommen und schließ- 
lich auf protestäntischer Seite von Fr. J. Stahl in ein System 
gebracht worden. Bei ihm erscheint der Staat als ein sittlich- 
intellektuelles Reich, das auf Gottes Gebot und Ordnung ruht. 
Aber nicht nur der Staat überhaupt ist göttliche Institution, son- 
dern auch die bestimmte Verfassung und die bestimmten Per- 
sonen der Obrigkeit haben Gottes Sanktion; sie sind zwar nicht 
durch unmittelbare göttliche Tat, aber durch Gottes Fügung dat). 
Jedoch nur dıe auf geschichtlicher Grundlage sich erhebenden 
Verfassungen ruhen in Gottes Ordnung, während die revolutio- 
nären Prinzipien, d. h. die, den Staat auf menschliche Autorität 
gründen wollen, widergöttlicher Art sind. Praktisch laufen seine 
  
1) a.2.0. 112 S. 176£.
	        
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