Full text: Allgemeine Staatslehre

210 Zweites Buch. Allgemeine Soziallehre des Staates. 
Zeit gebunden ist!). Seinem Geschlechte wollte er Unterweriung 
unter die absolute Gewalt als durch das Wesen des Staates ge- 
fordert und daher gerechtfertigt lehren. Es fällt ihm nicht ein, 
zu behaupten, daß die Gegenwart durch die Verträge einer längst 
entschwundenen Vergangenheit gefesselt werden solle. Vielmehr: 
ergibt sich aus seinen Grundansichten, daß jeder Mensch da- 
durch, daß er im Staate lebt, stillschweigend den Unionsvertrag 
abschließt. Gerade England, in welchem in den letzten Jahr- 
hunderten ein so häufiger Wechsel der Dynastien stattgefunden 
hatte, konnte nicht als ‚natürlicher‘ Staat gelten, und deshalb 
war ıhm als dem Anhänger der Idee einer starken Staatsgewalt, 
die allein das höchste Maß geistiger Freiheit zu sichern imstande 
war?), die Aufgabe gesetzt, gegenüber den revolutionären Theorien 
einerseits, den platten Lehren vom göttlichen Recht der Könige an- 
derseits, einen festen rationalen Grund für das Recht des Herr- 
schers zu finden. Daß dies der Hauptzweck der Untersuchungen 
des Hobbes gewesen, hat schon Pufendorf hervorgehoben). 
Seit Hobbes bleibt die Lehre vom Gesellschaftsvertrag die 
unverlierbare Grundlage der naturrechtlichen Staatslehre. Es 
findet sich aber häufig eine Vermischung rationaler und historischer 
Gesichtspunkte. Der Ursprung des Staates aus einem Vertrage 
ist vielen Schriftstellern eine geschichtliche Tatsache, welche der. 
rationalen Lehre eine unangreifbare empirische Stütze geben soll! 
In diesem Punkte steht Locke tief unter Hobbes. Für 
Locke steht es außer allem Zweifel, daß der historische Anfang 
des politischen Lebens in staatsgründenden Verträgen gelegen. 
habe#). Locke hat zwar Filmers Lehre vom Adam bekämpft, 
aber auch ihm ist Adam der geschichtliche Beginn der Mensch- 
heit. Er verwirft die Begründung des Staates auf die Autorität 
  
1) Vgl. Robertson p. 147; neuerdings auch eingehend L. Stephen 
2.2.0. p. 192ff.; Liepmann, a.a.0. S. 44, hat richtig erkannt, daß 
die Vertragsidee. bei Hobbes Beurteilungsnorm der zweckmäßigen Ein: 
richtung des Staates ist. Wenn er aber Hobbes vorwirft, daß dieset 
hierbei in einer Halbheit stecken geblieben sei, so hat er diesen Vorwurf 
in solcher Schroffheii kaum gerechifertigt. In dem Gesamtbau des 
Hobbesschen Systems ist er jedenfalls nicht begründet. 
2) Vgl. Tönnies Hobbes Leben S. 207 £. 
3) A.a.0. VIl 2 89. 
«) Two treatises II ch.8. Auch, Sidney, ch. II sect..V, führt eind 
Menge von Beispielen angeblicher staatsgründender Verträge an.‘
	        
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