256 Zweites Buch. Allgemeine Soziallehre des Staates.
damit im Staatszweck liegend anerkannt, und ebenso ist das der
Fall mit der der Gegenwart am meisten entsprechenden Form
der Vergrößerung des Staates oder doch der Staatsmacht durch
Kolonisation. Bewahrung und Erhöhung des internationalen An-
sehens, unabhängig von der Verteidigung, wird bei jedem un-
abhängigen Staate als im Staaiszwecke liegend anerkannt werden
müssen.
Aber nicht nur nach außen, auch nach innen werden
Funktionen gefordert und anerkannt werden müssen, deren Zweck
auf die Erhaltung des Staates und die Integrität seiner Wirkungs-
weise geht. Die Staatswirtschaft dient den gesamten Staats-
zwecken, in erster Linie aber sichert sie die Existenz des Staates.
Die Polizei- und Strafrechtspflege schützt nicht nur individuelle
und soziale Güter, sondern auch den Staat selbst. In aller
Staatstätigkeit ist ein Element, das die Erhaltung und Stärkung
des Staates selbst bezweckt. Erhaltung und Förderung der eigenen
Existenz und des eigenen Ansehens ist somit einer der Zwecke,
die dem Staate gemäß seinen von unserem Zweckbewußtsein
gebilligten Funktionen gesetzt sind. Dieser Zweck ist der erste
und nächste, seine Erfüllung innerhalb bestimmter Schranken die
Bedingung gedeihlicher staatlicher Tätigkeit überhaupt.
4. Ausschließlich dem Staate zugehörig ist ferner bewußte
Fortbildung und Aufrechterhaltung der Rechtsordnung. Auch
diese Tätigkeit ist dem Staate stets eigentümlich gewesen, allein
die Ausschließlichkeit dieses Rechtszweckes ist erst das Produkt
einer langen geschichtlichen Entwicklung. In primitiven Epochen
gıbt es eine weitgehende Autonomie und Selbstgerichtsbarkeit
der Familie, der Sippe, des Stammes innerhalb des Staates. Das
Strafrecht eignet dem Staate nicht ursprünglich, sondern wächst
ihm erst später zu; außerdem bleibt die Selbsthilfe in ver-
schiedenen Formen ein anerkanntes Rechtsinstitut. Die Ent-
wicklung des Staates ist aber überall von einem Aufsaugungs-
prozeß der selbständigen Rechtsbildung und des Rechtsschutzes
in sämtlichen ihm untergeordneten Verbänden begleitet, so daß
schließlich der Staat allein als Quell planmäßiger Fortbildung
des Rechtes erscheint und ihm allein die Verfügung über’ die
Mittel des Rechtszwanges gebührt. Heute ist alle planmäßige,
also nicht auf dem Wege der Gewohnheit erfolgende Rechts-
bildung entweder vom Staate selbst ausgeübt oder übertragen
oder zugelassen, so daß ohne Anerkennung durch den Staat