Achtes Kapitel. Die Lehren vom Zweck des Staates. 269
Zwecke des Staates zu konstatieren, müssen wir die herrschende
Geistesrichtung befragen, deren metaphysische Bestandteile die
sozial-teleologischen Vorstellungen mit auswirken.
Alle staatliche Tätigkeit hat unter diesem Gesichtspunkt zum
Endzweck die Mitarbeit an der fortschreitenden Entwicklung
zunächst der ihm Eingegliederten, nicht nur der gegenwärtigen,
sondern auch der zukünftigen, und ferner, da das Solidaritäts-
bewußtsein der Völker immer mehr über den Staat hinausgreift,
die Mitarbeit an der Entwicklung der Gattung. Metaphysischer
Betrachtung bleibt die Frage überlassen, inwiefern dieser sub-
jektivren Anschauung auch objektive Wahrheit zukommt, ob
diesem auf der Weltanschauung der Gegenwart gegründeten Zweck-
bewußtsein transzendente Werte entsprechen.
7. Fassen wir nunmehr die einzelnen hier erörterten Zwecke
zusammen, so ergibt sich folgendes. Staatliche Selbstbehauptung,
Sicherheit und Machtentfaltung, Rechtsetzung und Rechtschutz,
Kulturförderung haben sich uns als Staatsaufgaben ergeben. Der
leitende Gedanke für diese Zweckbestimmung liegt in der Er-
kenntnis, daß planmäßige Organisation der Versorgung der
solidarischen Volksinteressen, soweit sie einer zentralen Leitung
bedürfen und durch äußere Veranstaliung befriedigt zu werden
vermögen, nur durch den mit den größten Machtmitteln aus-
gestatteten sozialen Faktor, als welcher der Staat sich darstellt,
vorgenommen werden können. Diese Zwecke teilen sich in
exklusive, nur dem Staate zukommende, und in konkur-
rierende, demzufolge auch die entsprechenden Funktionen ent-
weder dem Staate ausschließlich zukommen oder von ihm mit
anderen geteilt werden. Maß und Art der Staatstätigkeit hat
sowohl bestimmte, in der Natur menschlicher Verhältnisse be-
gründete allgemeine Schranken als auch eigentümliche, durch
die Natur der einzelnen Verwaltungstätigkeit bedingte Grenzen.
Nichtregulierte individuelle und genossenschaftliche Tat soll nur
insoweit zurücktreten oder ausgeschlossen werden, sofern der
Staat mit seinen Mitteln das betreffende Interesse in besserer
Weise zu fördern vermag. Das höchste Prinzip für die ge-
samte Staatstätigkeit ist aber die Förderung der fortschreitenden
Entwicklung der Volksgesamtheit und ihrer Glieder. Dieses
Prinzip hat nach drei Richtungen hin Anwendung zu finden.
Einmal gegenüber dem Individuum, dessen Entwicklung als
Glied des Ganzen zu fördern ist, sodann gegenüber dem Volke