Zehntes Kapitel.
Die geschichtlichen Haupttypen des Staates.
Der Staat ist, wie jede geschichtliche Erscheinung, fort-
währendem Wandel seiner Erscheinungsformen unterworfen.
Daher spezialisiert sich innerhalb des allgemeinen Typus, den wir
gefunden haben, der Staat in mannigfaltiger Weise. Die Elemente
des Staatsbegriffes in seinen beiden Formen, der sozialen und
der juristischen, sind in verschiedenen Kulturkreisen verschieden-
artıg ausgeprägt, und es hängt von der gesamten Beschaffenheit
eines Volkes und einer Zeit ab, ob und wie sie ihr zum Be-
wußtsein gelangen. Darum ist es höchst lehrreich, die Staats-
typen zu betrachten, die in geschichtlichem Zusammenhang mit
dem Staate der Gegenwart stehen, sei es, daß ihn unmittelbare
historische Kontinuität mit jenen verbindet, sei es, daß das
Wissen um sie auf ihn nachweisbar eingewirkt hat. Die hier zu
betrachtenden Typen sind die des altorientalischen, namentlich
des israelitischen, des griechischen, des römischen, des mittel-
alterlichen und endlich des modernen Staates.
All diese Staatsbildungen sind selbstverständlich, wie alles
Geschichtliche, in fortwährendem Flusse begriffen, so daß Anfang
und Ende einer jeden einen ganz verschiedenartigen Anblick
darbietet. Aber in aller Entwicklung und Umbildung lassen sich
doch manche feststehende Merkmale auffinden, die durch .den
Wandel der Zeiten hindurch einem Staate oder einer bestimmten
Staatengruppe einen bestimmten Tvpus aufdrücken. Durch diese
Tatsache allein sind wir davor bewahrt, in der politischen Ge-
schichte eines Volkes nichts als ein Gewirre von nur zeitlich zu-
sammenhängenden, innerlich unverbundenen Notizen zu erkennen.
Von den früheren Staatsbildungen ist aber hier nur das für
die Erkenntnis des modernen Staates Wesentliche hervorzuheben.
Fine allseitige Betrachtung der geschichtlichen Entwicklung des
Staates ist nicht mehr bloß Sache der Staatslehre, sondern der
politischen und der Kulturgeschichte, sowie der Gesellschaftslehre