Full text: Allgemeine Staatslehre

Zehntes Kapitel. Die geschichtlichen Haupitypen des Staates. 323 
des antiken Staates, es ist aber ın Wahrheit der neue Staat, der 
sich als schlechthin erhabene Macht über alle seine Glieder 
erweisen und behaupten will. 
Dauerndes vorbildliches Beispiel eines in sich einheitlichen 
Verbandes bot aber allen Staaten des Mittelalters die Kirche 
dar, die, in sich keine Spaltung und Gegensätze duldend, den 
Wert monistischer herrschaftlicher Organisation allen deutlich 
offenbarte. Auch die Kirche hat zwar eine Epoche aufzuweisen, 
in welcher der Gegensatz von Papst und Konzil den von König 
und Reich zu wiederholen schien, allein durch die ganze Tra- 
dition, welche sie beherrschte, konnte es von Anfang an nicht 
zweifelhaft sein, daß der Sieg einem der beiden Organe gehören 
mußte. Eine dualistische Gestaltung der Kirche war mit ihrer 
Idee unvereinbar. 
5. Der moderne Staat. 
Durch Überwindung des zwiefachen Dualismus von König 
und Volk, von weltlicher und geistlicher Gewalt ist der moderne, 
als Verbandseinheit erscheinende, verfassungsmäßig gegliederte 
Staat entstanden. Das ist in jedem einzelnen Staate, wenn auch 
unter dem Einfluß der allgemeinen politischen Verhältnisse, wie 
nicht anders möglich, in eigenartiger, unwiederholter Weise ge- 
schehen. Jede nähere Ausführung darüber würde die Ökonomie 
dieses Werkes weit überschreiten. Vielmehr muß die wesentliche 
Kenntnis der inneren Schicksale der neueren Staaten hier vor- 
ausgesetzt werden: ein Lehrbuch der neueren Geschichte als 
Episode einzuflechten, ist nicht meine Aufgabe. 
So verschieden daher Anlässe und Mittel zur Überwindung 
jenes doppelten Dualismus in den einzelnen Staaten waren, so 
sehr hat sich in den Kämpfen um eine neue Gestaltung der 
Verhältnisse zunächst ein wichtiges Resultat ausgeprägt: die 
Herstellung des einheitlichen Staates aus dem Widerstreite seiner 
Teile. 
Der Kampf zwischen Staat und Kirche wird durch die Re- 
formation zugunsten des Staates nicht nur in den protestantischen 
Ländern entschieden. Die Interessen der reduzierten katholischen 
Kirche, die Möglichkeit, ihre nie aufgegebenen Ansprüche auf 
Wiedergewinnung der von ihr abgefallenen Glieder dereinst zu 
verwirklichen, sind so sehr von der Unterstützung der katho- 
lischen Mächte abhängig, daß bei allem Gegensatz der Konflikt 
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