Full text: Allgemeine Staatslehre

362 Zweites Buch. Allgemeine Soziallehre des Staates. 
licher Macht. Das politische Leben eines Volkes ruht nicht zum 
geringsten auf der Verteilung der öffentlichen Macht. 
Das gilt auch von den bestimmten staatlichen Organen zu- 
gewiesenen Zuständigkeiten. Sie begründen nicht nur Pflichten, 
sondern regeln auch notwendigerweise die rechtliche Macht der 
Organträger. Am wenigsten zeigt sich das bei den untergeordneten 
Organen, wo sie regelmäßig nur so weit reicht, als diese nach 
freiem, unkontrolliertem Ermessen zu handeln imstande sind. 
Anders aber bei den höchsten Staatsorganen, deren Stellung 
überhaupt nur in der Form von Machtzuteilungen geregelt werden 
kann. 
Solcher Macht sind zwar verfassungsmäßige Schranken ge- 
setzt. Innerhalb dieser Schranken aber kann die Macht frei 
schalten: sofern nicht in der Rechtsordnung selbst Gewähr ge- 
boten ist dafür, daß diese Macht sich stets nur in bestimmter 
Weise betätige, vermag niemand die Richtung festzustellen, in 
welcher die Macht wirkt, als der Machtträger selbst. Die eng- 
lische Lehre von den „checks and balances‘“, die französische 
von der Gewaltenteilung, die deutsche vom Rechtsstaat, sie alle 
haben den letzten Zweck, die nun einmal nicht zu beseitigende 
Eigenmacht der’ obersten Staatsorgane in feste Schranken zu 
bannen. 
Die Betätigung der rechtlichen Macht kann aber Zustände 
schaffen, die von der geschriebenen oder ungeschriebenen Norm 
der Verfassungen und Gesetze abweichen. Solchenfalls kann zwar 
ein logisches Urteil über deren Nichtübereinstimmung mit der 
Norm gefällt werden, aber kein rechtliches, weil eben jeder 
wie immer geartete Richter mangelt und mangeln muß. Zu einem 
rechtswidrigen Zustand wird ein also geschaffener erst dann, 
wenn ein Staatsorgan die ihm ausdrücklich gesetzten rechtlichen 
Schranken derart überschreitet, daß es das gesetzliche Funktio- 
nieren anderer Organe überhaupt verhindert; für diese Fälle ist 
aber auch die Möglichkeit eines Rechtsspruches vorhanden. Sollte 
aber im konkreten Rechte eine streitschlichtende Instanz nicht 
gegeben sein, dann können die faktischen Machtverhältnisse 
zwischen den Organen daraus rechtswidrige Zustände schaffen, 
die den Anstoß zu einer Rechtsbildung geben können. Neues 
Recht entsteht ja nicht nur auf rechtmäßigem, sondern auch auf 
rechtswidrigem Wege. Das hervorragendste Beispiel hierfür sind 
die formell unanfechtbaren, materiell verfassungswidrigen Ge-
	        
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