Elftes Kapitel. Staat und Recht. 37l
die allein die Grundlagen von Rechtsverhältnissen zwischen einem
Verband und seinen Gliedern geschaffen werden können. Man
muß dabei keineswegs sofort an den Staat denken. Jeder Verein
erläßt durch satzungsmäßigen Beschluß, also einseitig, Normen
für seine Mitglieder, dadurch nicht nur diese, sondern sich selbst
bindend. Von solchen Verbänden unterscheidet sich der Staat
nur dadurch, daß die Rechtsordnung, die ihn an seine Willens-
erklärung bindet, seine eigene Ordnung ist.
Erst durch die also gewonnene Erkenntnis ist die Vorstel-
lung von Rechten und Pflichten des Staates möglich. Wer sie
verwirft, der vermag nur Macht-, aber keine Rechtsverhältnisse
zwischen Staat und einzelnen anzuerkennen.
Die juristische Konstruktion der also sich ergebenden staat-
lichen Rechtsverhältnisse ist an anderer Stelle durchzuführen.
Hier ist vielmehr ausschließlich ihre sozialpsychologische Grund-
lage näher nachzuweisen.
Der letzte Grund alles Rechtes liegt ın der nicht weiter
ableitbaren Überzeugung seiner Gültigkeit, seiner normaliven
motivierenden Kraft. Die oben angegebenen drei Merkmale des
Rechtes treffen in dem Punkte zusammen, daß es sich bei ihnen
stets um Normen handelt. Norm ıst aber niemals etwas bloß
von außen Kommendes, sondern muß stets die auf einer Eigen-
schaft des Subjektes ruhende Fähigkeit besitzen, von diesem
als berechtigt anerkannt zu werden. Darum ist es schließlich
eine von der gesamten Kulturanlage eines Volkes bedingte Über-
zeugung, ob etwas, was den Anspruch erhebt, Norm zu sein,
in einem gegebenen Zeitpunkt diesen Charakter wirklich besitzt.
Es kommt daher hier in letzter Linie darauf an, ob nach
der Anschauung einer bestimmten Zeitepoche der Staat selbst
durch seine abstrakten Willenserklärungen gebunden. ist oder
nicht, und, wenn er gebunden ist, in welchem Maße solche
Bindung besteht. Diese Frage ist aber eine historische, mit
keiner allgemein gültigen Formel zu lösendet!). Nur das eine
1) Menzel, Handb.d. Politik I S.41 N.28, rügt den Widerspruch
dieses von ihm gebilligten Satzes mit der Auffassung des Staats als eines
Rechtsbegriffs (oben S.138f.). Allein der Staat kann auch dann noch
juristisch begriffen werden, wenn er sich nicht an seine eigenen Gesetze
hält. Es gibt eben dann — rechtlich betrachtet — zwei Arten von
Staaten, solche, die sich durch ihr Recht binden, und solche, die es
nicht tun. Auch der nicht bindbare Staat wird mittels des Rechtssatzes
begriffen, daß man ihm zu gehorchen habe.
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