Full text: Allgemeine Staatslehre

374 Zweites Buch. Allgemeine Soziallehre des Staates. 
Beispiel hierfür!). Nicht minder sind andere höchste Staats- 
willensakte, wie das rechtmäßige, aber rechtswidrig gefaßte, 
nicht revisionsfähige Urteil, rechtlicher Be- und Verurteilungen 
fähig, obwohl sie nicht imstande sind, die Rechtsfolgen solchen 
Urteils zu ändern, und damit einen neuen Beweis für jene merk- 
würdige Grundtatsache des Rechtslebens bieten, daß Unrecht 
Recht zu erzeugen vermag. 
Der Gedanke der Bindung des Staates an sein Recht hat 
bei der Aufstellung der modernen Verfassungsurkunden seine 
bedeutsame Rolle gespielt. Nicht nur durch die Festsetzung 
fester Normen für die Äußerungen des Staatswillens, sondern 
vor allem durch die Aufstellung ‚„garantierter“ Rechte des Indi- 
vıduums suchen sie den Staat selbst in seiner legislatorischen 
Allgewalt einzudämmen. Diese Garantie wurde gedacht als ın 
der Zusicherung der Unabänderlichkeit der also geschützten 
Rechte bestehend. 
Es ist an dieser Stelle nicht zu untersuchen, inwieweit die 
Unveränderlichkeit gerade der Grundrechte durch jene verfas- 
sungsmäßigen Garantien praktische Bedeutung besitzt. Wohl aber 
war von jeher und ist heute unzweifelhaft in umfassenderem 
Maße in dem Rechte der Kulturvölker ein Grundstock vorhan- 
den, der jeder gesetzgeberischen Willkür entzogen ıst. Das ist 
der Niederschlag der gesamten geschichtlichen Entwicklung eines 
Volkes, wie er als bleibende Bedingung von dessen ganzem 
historischen Dasein sich in den rechtlichen Institutionen konstant 
ausprägt. Die Grundlagen des Strafrechtes 2. B. sind in großen 
Umfang feststehend, die Verpönung schwerer Angriffe auf die 
wichtigsten Rechtsgüter nicht von dem Belieben des Staates ab- 
hängig. Die Straflosigkeit des Mordes auszusprechen, liegt wohl 
außerhalb der realen gesetzgeberischen Möglichkeit. Täte ein 
Gesetzgeber dennoch derartiges. so würden sofort andere, von 
ihm nicht zu beherrschende Kräfte ın ungeordneter Form die 
Funktion der Strafe erfüllen. 
  
1) Die praktisch bedeutsamsten Fälle dieser Art wären Spezial- 
gesetze, die einer allgemeinen verfassungsmäßigen Rechtsregel zuwider- 
laufen. Also namentlich individuell bestimmte Enteignungen ohne Ge: 
währung voller Entschädigung, z.B. bei zwangsweiser Verstaatlichung 
einer Eisenbahn, oder gegen bestimmte Personen oder Klassen gerichtete 
Güterkonfiskationen, wie sie von extremen politischen Parteien in erregten 
Zeiten vorgeschlagen werden.
	        
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