Full text: Allgemeine Staatslehre

Zwölites Kapitel. 
Die Gliederung des Öffentlichen Rechtes. 
Den Römern, die den scharfen Gegensatz von öffentlichem 
und Privatrecht aufgestellt haben!), war das erstere ein In sich 
einheitliches, daher Staats- und öffentliches Recht bei ihnen 
ausschließlich durch dasselbe Wort ausgedrückt werden konnten. 
Die Entwicklung des modernen Rechtes hat jedoch eine reiche 
Gliederung des öffentlichen Rechtes zur Folge gehabt, die nur 
historisch zu begreifen ist. Ihr gemäß decken sich die Begriffe 
Staats- und öffentliches Recht nicht mehr. Jener ist vielmehr 
der engere Begriff, der dem letzteren eingeordnet ist?). 
1) Namentlich in der berühmten Stelle des Ulpian L.2 D. de iust et 
iure 1,1 und 84 Inst. tit. 1,1. Über die Geschichte des Begriffes des ius 
publicum und seine Mehrdeutigkeit bei den alten Schriftstellern vgl. jetzt 
B.Ehrlich ‚Beiträge zur Theorie der Rechtsquellen I 1902 S.159 ff. 
2) Die Ausprägung des Begriffes des Öffentlichen Rechtes als des 
weiteren, der das Staatsrecht als Teil in sich faßt, wurde einerseits 
durch die Sonderung der einzelnen Rechtsdisziplinen in der akademischen 
Lehre, anderseits durch die begriffliche Zergliederung des Rechtsstoffes 
von seiten der Naturrechtslehre angebahnt. Die neuere juristische Ter- 
minologie geht zurück auf Hugo (vgl. über diese Entwicklung die 
Darstellung von Ehrlich, S.209f£.). Von großer Wirkung ist auch die 
Kantische Rechtslehre gewesen, die das gesamte Recht in Privat- und 
öffentliches Recht einteilt und das letztere in Staats-, Straf-, Völker- und 
Weltbürgerrecht gliedert. Erst unter dem Einfluß Savignys (System 
des heutigen römischen Rechts I S.25ff.) aber hat die neueste deutsche 
Staatsrechtswissenschaft seit Gerber die einzelnen Disziplinen des 
öffentlichen Rechtes als solche anerkannt und den anderen Rechts- 
gebieten gegenübergestellt. Im einzelnen walten indes selbst bis auf die 
Gegenwart manche Differenzen zwischen den verschiedenen Schrift- 
stellern vor. Mit der Ausbildung des Staatsrechtes als eines in sich 
geschlossenen Teiles der Rechtsordnung ist Deutschland allen übrigen 
Nationen vorangegangen. In Frankreich ist erst seit dem Ende des 
17. Jahrhunderts von dem ‚‚droit public“ die Rede (Domat 1689, zitiert 
bei Mohl Geschichte u. Literatur III S. 129); England entwickelt im 
19. Jahrhundert den Gedanken des „constitutional law“, das sich keines-
	        
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