356 Drittes Buch. Allgemeine Staatsrechtslehre.
sewährt wurde). In Deutschland hingegen wird der Fiskus als
Subjekt von Privatrechten erklärt, daher dem Staate doppelte
Persönlichkeit — öffentliche und privatrechtliche — zuerkannt,
was die große praktische Bedeutung hat, daß, soweit das Privat-
recht reicht, willkürliche Eingriffe des Staates in die individuelle
Rechtssphäre ausgeschlossen sind. Heute ist nun aber die Über-
zeugung durchgedrungen, daß der Staat auch im Hinblick auf
den Gegensatz von öffentlichem und Privatrecht eine einheitliche
Persönlichkeit ist, der Fiskus daher nur eine besondere Richtung
dieser Persönlichkeit bezeichnet. Hier ıst denn mangels aus-
drücklicher Festsetzung das Hauptgebiet strittiger Grenzfälle, deren
Problem lautet: Wann ist der Fiskus Subjekt und Objekt öffent-
lich-rechtlicher und wann privatrechtlicher Ansprüche?
Isi nun einerseits Privatrecht nur auf der Basis des öffent-
lichen möglich, so ıst anderseits das Öffentliche Recht dem
Privatrecht gegenüber ganz selbständig.
Öffentliches Recht ist dasjenige, welches ein mit Herrscher-
gewalt ausgerüstetes Gemeinwesen in seinen Beziehungen zu
gleich- und untergeordneten Personen bindet.
Seine Möglichkeit und Bedeutung ist im vorigen Kapitel dar-
getan worden. Hier handelt es sich um nähere juristische Be-
stimmungen jener allgemeinen Sätze.
Eine Herrschergewalt wird dadurch zur rechtlichen, daß sie
eingeschränkt ıst?2). Recht ist rechtlich beschränkte Macht. Die
potentielle Macht des herrschenden Gemeinwesens ist größer
als seine aktuelle. Durch Selbstbeschränkung gewinnt sie den
Charakter der Rechtsmacht. Solche Selbstbeschränkung ist keine
willkürliche, d. h. es ist nicht in des Staates Belieben gestellt,
ob er sie überhaupt üben will. Durch den ganzen historischen
Prozeß, der ihm vorangegangen, ist dem Staate Art und Maß
dieser Beschränkung gegeben. Er hat innerhalb weiter Grenzen
die formale Möglichkeit, die Art seiner Schranken zu bestimmen,
das „Ob“ der Schranke ist seiner Willkür entrückt.
t) Durch das Institut der Petition of Right, die aber auch heute nur
auf Grund eines königlichen Fiat bei den Gerichten anhängig gemacht
werden kann. Vgl. Gneist Das englische Verwaltungsrecht 3. Aufl. 1883
1 S.375: Hatschek a.a.0. S.42£.
2) Das ist neuerdings verkannt von O.Maver I S.110f., der dem
Staate subjektive Rechte in wahrem Sinne abspricht, weil sie nichts
anderes als Einzelerscheinungen der großen allgemeinen, dem Staate
von Natur aus zustehenden Herrschermacht seien.