Full text: Allgemeine Staatslehre

3% Drittes Buch. Allgemeine Staatsrechtslehre. 
Körperschaften sonst raumlos sind, bedarf der Staat zu seiner 
Existenz der räumlichen Ausdehnung. Nur diese räumliche Aus- 
dehnung seiner Herrschaft und die mit ihr verbundene Aus- 
schließlichkeit gewähren ihm die Möglichkeit vollkommener Zweck- 
erfüllung. Ferner würden mehrere voneinander unabhängige 
Staaten auf demselben Boden in stetem Kriege stehen, nicht nur 
wegen des dauernden Gegensatzes der Interessen, sondern schon 
deshalb, weil unausgesetzte, von keinem Richter zu schlichtende 
Zuständigkeitsstreite vorlägen!). Darum können zwar auf dem- 
selben Gebiete unzählige Körperschaften existieren, aber nur ein 
einziger Staat. Auf dieser Eigenschaft des Gebietes als Momentes 
des Staatssubjektes beruht die Undurchdringlichkeit des Staates ?). 
Auf einem und demselben Territorium kann nur ein Staat seine 
Macht entfalten. Von dieser Regel gibt es nur folgende scheinbare 
Ausnahmen: 
1. Vorübergehend ist über ein Gebiet kraft Kondominiums, 
oder, wie es der modernen Staatsauffassung entsprechend klarer 
auszudrücken ist, kraft Koimperiums gemeinsame Herrschaft 
mehrerer Staaten möglich, die aber stets nach einer Auseinander- 
setzung zwischen den Mitherrschern strebt, auf die Dauer bei 
den klaren Gebietsverhältnissen der modernen Staaten nur ganz 
ausnahmsweise eintreten kann. Kondominien können aber niemals 
dem Staatsgebiete eines der Mitherrscher einverleibt werden. So- 
lange das Kondominat dauert, ist vielmehr das betreffende Gebiet 
einer von der eines jeden einzelnen der Mitherrscher unter- 
schiedenen besonderen Herrschaft unterworfen. So war es mit 
Schleswig-Holstein 1864—1866, und so ist es mit der gemein- 
samen Herrschaft Österreichs und Ungarns in Bosnien und der 
Herzegowina heute der Fall?). Kondominaten fehlt das Gebiet 
ın der Eigenschaft als subjektiven Elementes eines Staates. Heute 
nur noch ın spärlichen Resten vorhanden, konnten sie von 
dauernder Bedeutung nur in einer Zeit werden, wo vermöge der 
Vermischung von öffentlichem und Privatrecht der tiefgehende 
  
1) Über vereinzelte mißlungene Versuche, die Notwendigkeit des 
Gebietes für den entwickelten Staat zu leugnen, vgl. Rehm Staatslehre 
S.36. Die eigentümliche hellenische Auffassung s. oben S.310f. 
2) Fricker Vom Staatsgebiet S.17. Dieses Moment verkennt 
Haenel, StR. 1 803, indem er die Möglichkeit zweier souveräner Staaten 
auf demselben Gebiet behauptet. 
3) Vgl. unten Kap. XIX S. 650£.
	        
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