Full text: Allgemeine Staatslehre

402 Drittes Buch. Allgemeine Staatsrechtslchre. 
Kraft der Einheit und Unteilbarkeit des Staates sind auch 
seine Elemente einheitlich und unteilbar. Das gilt demnach auch 
vom Staatsgebiete. Von ihm sogar geschichtlich in erster Linie. 
Die Unteilbarkeit des Staates ist zuerst als Vorstellung von der 
Unteilbarkeit des Gebietes zum Bewußtsein gekommen. Lange 
bevor man die Lehre von der Teilbarkeit der Staatsgewalt auf- 
stellte und bekämpfte, ist reale Teilung von Staaten durch Erb- 
gang geübt und als schädlich, schließlich aber als unzulässig 
erkannt worden. Die Teilbarkeit des Staatsgebietes ist die 
Konsequenz privatrechtlicher Auffassung des Staates gewesen, 
der der Begriff der einheitlichen Staatsgewalt fremd war, die viel- 
mehr die Herrschaft als ein Aggregat verschiedenartiger ding- 
licher und persönlicher Rechte betrachtete, die daher niemals zu 
der klaren Einsicht gelangen konnte, daß das Gebiet Staats- 
element sei. Solange die Eigenschaft des Staatsgebietes als eines 
Momentes des Staatssubjektes nicht erkannt war, konnte es 
nur als eine Sache betrachtet werden, die ihrer Natur nach 
teilbar wart). 
Von der Unteilbarkeit des Staatsgebietes, wie sie in neuerer 
Zeit häufig verfassungsmäßig ausgesprochen worden ist, gibt es 
allerdings eine wichtige Ausnahme. Durch Staatsvertrag kann in- 
folge eines Krieges oder aus anderen Gründen (freiwillige Ab- 
tretung, Grenzregulierung usw.) ein Teil des Staatsgebietes los- 
gelöst und auf einen anderen Staat übertragen werden. Auch 
derartige juristische Tatsachen aber sind kein Beweis für die 
Lehre von dem staats- und völkerrechtlichen Sachenrecht. Was 
abgetreten wird, ist nicht sowohl das tote Land, das als solches 
der Staatsherrschaft gar nicht unterliegen kann, als vielmehr die 
Herrschaft über dıe auf dem Laude weilenden Menschen. Jede 
  
Befestigungen errichtet, so ist damit keineswegs eine direkte öffentliche 
Sachherrschaft verbunden; vielmehr sind es auch hier private Rechts- 
geschäfte: Aneignung des bisher herrenlosen Bodens und Bauführung, 
durch welche er den Schutz und die Ausübung seiner Gewalt sich sichert. 
Ein absolut menschenleerer Raum aber, bei dem auch die Möglichkeit 
mangelt, daß er jemals von Menschen berührt wird, könnte nie einem 
Gebiete angegliedert werden. 
t) Über die Entwicklung des Gedankens der Unteilbarkeit des Staates 
in Deutschland vgl. den ausgezeichneten Aufsatz von Gerber, Über die 
Teilbarkeit. deutscher Staatsgebiete, Gesammelte juristische Abhandlungen 
II S.441ff., dessen Argumente von der neuesten höfischen Jurisprudenz 
nicht berücksichtigt werden, zumal sie unwiderlegbar sind.
	        
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