Full text: Allgemeine Staatslehre

406 Drittes Buch. Allgemeine Staatsrechtslehre. 
verleibungen, Staatsdienstbarkeiten, vertragsmäßige Okkupation, 
Verpfändung!) usw., auf die subjektive Qualität des Gebietes 
und Modifikationen der personalen Herrschaft der Staaten zurück- 
führen, die nur indirekt auf das Land zu wirken vermag. Dies 
im einzelnen darzutun, überschreitet die Aufgabe dieses Buches, 
doch wäre es ein dankenswertes Beginnen, wenn die von allen 
privatrechtlichen Schlacken befreite Lehre vom Staatsgebiete auch 
einmal im Völkerrecht konsequent durchgeführt werden würde. 
2. Das Staatsvolk. 
Die dem Staate zugehörigen Menschen bilden in ihrer Ge- 
samtheit das Staatsvolk. Gleich dem Gebiete hat das Volk im 
Staate eine doppelte Funktion. Es ist ein Element des staatlichen 
Verbandes, gehört dem Staate als dem Subjekt der Staatsgewalt 
an; wir wollen es der Kürze halber das Volk in subjektiver 
Qualität nennen. Sodann aber ist das Volk in anderer Eigen- 
schaft Gegenstand staatlicher Tätigkeit, Volk als Objekt). 
Beide Qualitäten sind zuerst von der modernen Theorie der 
Volkssouveränetät auf Grund antiker Anregungen scharf unter- 
schieden worden. Rousseau legt jedem Individuum eine doppelte 
Qualität bei, als citoyen, d. h. als aktivem Bürger, der an der 
Bildung des Gemeinwillens teilnimmt, und als sujet, d. h. als 
Untertan, der diesem Gemeinwillen unterworfen ist3). Die 
späteren, das Naturrecht überwindenden Lehren vom Staate haben 
zwar alle die Eigenschaft des Volkes als eines Staatselementes 
  
I) So z.B. hält der, wie Clauß, Die Lehre von den Staatsdienst- 
barkeiten 1894 S.47ff., nachgewiesen hat, aus dem privatrechtlich ge- 
färbten alten Reichsstaatsrecht stammende Begriff der Staatsservituten 
der Kritik nicht stand. Was man so bezeichnet, sind rein obligatorische 
Verhältnisse, wie v. Liszt, Völkerrecht $8 1113, 819 I2, vortrefflich 
dartut. 
2) Nur in diesem die Gesamtheit der Mitglieder des Staates um- 
fassenden Sinne kommt dem vieldeutigen \Worte Volk rechtliche Be- 
deutung zu. Die Bezeichnung des Volkes als Gesamtheit-der Untertanen 
im Gegensatze zu den Herrschenden ist politischer Natur. Denn rechtlich 
sind auch die Träger höchster Organstellung in ihrer Eigenschaft als 
Individuen dem in gesetzlicher Form erscheinenden Staatswillen unter- 
worfen. 
3) „A l’egard des associes, ils prennent collectirement le nom de 
peuple, et s’appellent en particulier citoyens, comme participant & 
l’autorite souveraine, et sujets, comme soumis aux lois de I’Etat.“ 
Contr. soc. I 6.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.