Dreizehntes Kapitel. Die rechtl. Stellung d. Elemente des Staates. 407
anerkannt, dennoch tritt bei ihnen häufig die Erkenntnis der
subjektiven Qualität des Volkes ganz in den Hintergrund, was
auch heute noch leicht dem tiefgreifenden Irrtum den Weg
bahnt, der den ganzen Staat in die Regierung verlegt oder ihn
in zwei durch keinerlei notwendiges Rechtsband miteinander
verknüpfte Personen spaltet, deren eine der Herrscher, die
andere das Volk, die Summe der einzelnen als Objekt der Herr-
schaft ist!).
Der praktische Grund dieser Irrtümer liegt allerdings darin,
daß die Wirkungen jener subjektiven Qualität des Volkes außer-
balb demokratisch organisierter Staaten nicht sofort zu erkennen
sind und schließlich auch in den Demokratien nur ein Teil des
Volkes aktiven Anteil am Staate besitzt.
Geht man von der Erkenntnis der körperschaftlichen Natur
des Staates aus, so ergibt sich die subjektive Qualität des Volkes
in — fast möchte ich sagen — tautologischer Weise aus dem so
gefaßten Staatsbegriffe. Allein nicht nur auf deduktivem Wege,
sondern auch durch folgende, für die Erkenntnis des Staates
wichtige, bisher noch nicht klar dargelegte Erwägungen.
Eine Vielheit von Menschen, die unter einer gemeinsamen
Herrschaft stehen, ohne die subjektive Qualität eines Volkes zu
besitzen, wäre kein Staat, weil jedes die einzelnen zu einer
Einheit verbindende Moment mangelte. Einem solchen Zustande
entspräche etwa der eines Landesherrn oder Lehnsträgers der
mittelalterlichen Welt, der aus verschiedenen Rechtstiteln eine
Mehrheit von Territorien besaß, die trotz der Gemeinsamkeit
des Herrschers keine innere Gemeinschaft bildeten und sich ihrer
rechtlichen Sonderexistenz bewußt blieben. In der Gegenwart
bieten die deutschen Schutzgebiete ein treffendes Beispiel dafür,
daß sogar innere Einheit der Staatsgewalt allein nicht ausreicht,
um eine staatliche Einheit zu begründen. Die Schutzgewalt
ist mit der Reichsgewalt ıdentisch; dennoch bilden die Schutz-
gebiete mit dem Reiche keine staatliche Einheit, weil das Volk
dieser Gebiete zwar vom Reiche beherrscht wird, aber mit dem
Reichsvolke dessen subjektive Qualität nicht teilt.
Daher wäre auch ein Sklavenstaat, an dessen Spitze etwa
ein großer Plantagenbesitzer stände, nur dem Namen nach ein
I) Vgl. auch mein System S.8ff. Die richtige Lehre treffend ent-
wickelt von Haenel, Staatsrecht I S. 93 ff.