Dreizehntes Kapitel. Die rechtl. Stellung d. Elemente des Staates. 415
sozialen Verhältnissen, die viele vorhandene Beschränkungen der
individuellen Freiheit als ungerechtfertigt erscheinen lassen, die
Vorstellung von einer größeren Zahl allgemeiner Freiheitsrechte
aus, die als Bedingungen, unter welchen das Individuum in den
Staat tritt, dem Staat derart unantastbar gegenüberstehen, daß
er nur deren Mißbrauch zu verhüten berechtigt ist. Als nun die
amerikanischen Kolonien von ihrem Mutterlande sich losreißen,
da spielt der Gedanke jener ursprünglichen, in den Staat mit
Motiv, nicht das Resultat der Staatsgründung an. Überdies können
derartige historische Zusammenhänge nicht auf dem Wege der Wort-
interpretation irgendwelcher Dokumente erkannt werden. Der religiöse
Ursprung der Menschenrechte ist nunmehr auch in Frankreich, wo man
so gern gegenüber meinem Nachweis des historischen Zusammenhanges
der Formeln von 1789 mit den Kämpfen um die Religionsfreiheit in den
amerikanischen Kolonien Englands die volle Originalität der französischen
Konstituante retten möchte, in eingehender und energischer Weise von
katholischer Seite behauptet worden von Saltet, L’origine religieuse
de la de&claration des droits de l’'homme, in den vom Institut catholique
de Toulouse herausgegebenen Conferences pour le temps pr&sent, Paris
1903 p.56ff., von protestantischer Seite vgl. M&aly Les publicistes
de la Re&forme. Pariser These 1903 p. 257. Sonst kann auf die neueste
— wenig ergiebige — französische, italienische, griechische und ameri-
kanische Literatur, die sich mit der Entstehung der Menschenrechte und
meinen Ausführungen über sie beschäftigt, an dieser Stelle nicht ein-
gegangen werden. Über die französischen Publikationen vgl. Egon
Zweig in der Beilage zur Allg. Zeitung vom 25. Mai 1905 und Studien
und Kritiken 1907 S.140ff.; Duguit Trait& II 1911 p.10. Höchst
bedeutsam sind die Ausführungen von Max Weber, Archiv f. Sozialwiss.
1905 S.42 N.78. Aus der neueren deutschen Literatur vgl. G.Häger-
mann Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte in den amerika-
nischen Staatsverfassungen 1910; dazu Troeltsch Die Soziallehren
der christlichen Kirchen und Gruppen I 1912 S. 764 Note; ferner Bern-
heim im Arch.£.öff.R. Bd.21 (1907) S.350£.; F.Klövekorn Die
Entstehung der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte 1911; W.Rees
Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte 1912. — Menzel stellt
neuerdings die interessante Tatsache fest, daß sich auch Mirabeau im
Jahre 1785 in der adresse aux Bataves auf den amerikanischen Katalog
beruft: Grünhuts Z. 34. Bd. S.438f. Dazu Egon Zweig Die Lehre vom
pouvoic constituant 1909 S.241f. N.5. — Auf die Angriffe Redslobs
a.2.0. S.92ff. und seinen Versuch, den Zusammenhang zwischen der
Declaration und dem Contrat social herzustellen, wird bei anderer Ge-
legenheit zurückzukommen sein. Vgl. vorerst die 2. Auflage der „Menschen-
und Bürgerrechte‘, die Redslob ebenso entgangen zu sein scheint, wie
G. Jellineks Antwort auf Boutmy (abgedruckt in den Schriften und
Reden II 1911 S. 64££.).