418 Drittes Buch. Allgemeine Staaisrechtslehre.
Beide Ansichten haben, wie es mit Extremen gewöhnlich
der Fall ist, nicht das Richtige getroffen. Die erste hat nicht
erkannt, daß formal zwischen Privat- und öffentlichen Rechten
ein Unterschied obwaltet, die zweite, daß die Leugnung der
öffentlichen Rechte die Möglichkeit der Rechtsordnung und damit
des Staates in Frage stellt.
Was zunächst den letzten Punkt betrifft, so ıst ein Recht
nur möglich zwischen Rechtssubjekten. Rechtssubjekt jedoch ist
derjenige, der in seinem Interesse die Rechtsordnung in Bewegung
setzen kann. Diese Fähigkeit ist aber dem einzelnen zunächst
auf dem Gebiete der Privatrechtspflege gegeben. Er empfängt
da nicht nur den Reflex staatlicher Tätigkeit, wie bei der strafen-
den und polizeilichen Funktion Jdes Staates. Mit bloßen Reflex-
rechten gibt es keine Persönlichkeit. Solcher Reflex kann auch
dem Tiere zugute kommen, wie es zur Zeit, als das Sklavenrecht
gemildert wurde, dem römischen Sklaven zugute kam, der nichts-
destoweniger fortdauernd der Persönlichkeit entbehrte. Die vom
Staate gewährte individuelle Fähigkeit aber, die Rechtsordnung
ım eigenen Interesse in Bewegung zu setzen, schafft, wie jede
begrenzte individuelle, vom Rechte anerkannte Macht, eine sub-
jektive Berechtigung. Daher gehört die Persönlichkeit dem öffent-
lichen Rechte zu. Sie ist die Bedingung des Privatrechts und
aller Rechtsordnung überhaupt, die demnach mit dem Dasein
individueller öffentlicher Rechte innig verknüpft ist.
Diese Rechte unterscheiden sich jedoch von den Privatrechten
wesentlich dadurch, daß sie sich unmittelbar auf die Persön-
lichkeit gründen. Sie haben kein von der Person verschiedenes
Objekt wie die Privatrechte. Die aus ihnen entspringenden An-
sprüche, in denen sich die praktische Bedeutung dieser Rechte
erschöpft, entstammen direkt den Fähigkeiten, welche die Rechts-
ordnung den einzelnen zuerkennt. Alle diese Fähigkeiten be-
zeichnen ein dauerndes Verhältnis ‚des einzelnen zum Staate, es
sind rechtliche Zustände, die auf ihnen ruhen, und die den
Grund der einzelnen publizistischen Ansprüche bilden. Jeder
öffentlich-rechtliche Anspruch entspringt daher unmittelbar aus
einer bestimmten Position der Person zum Staate, die, dem
Vorbild des antiken Rechts entsprechend, als, ein Status be-
zeichnet werden kann!).
1) Da die öffentlich-rechtlichen Ansprüche nicht aus einem von der
Person getrennten Objekt entspringen, so wird ihr Wesen durch ihre