420 Drittes Buch. Allgemeine Staatsrechtslehre.
sondern nur besonders anerkannte Richtungen der individuellen
Freiheit, die aber in sich einheitlich ist und den vom Staatsgebot
freien Zustand des Individuums bezeichnet. Aus dieser Position
der Persönlichkeit entspringt ihr der Anspruch auf Aufhebung
aller die Freiheit verletzenden staatlichen Verfügungen.
2. Im Mittelpunkte der öffentlich-rechtlichen Ansprüche
stehen die auf positive Leistungen des Staates im individuellen
Interesset). Auf ihnen in erster Linie ruht der Rechtscharakter
der Beziehungen zwischen Staat und Individuum. Die Volks-
genossen sind Rechtsgenossen vermöge der Gemeinsamkeit des
ihnen in ihrem individuellen Interesse zuteil werdenden Rechts-
schutzes. Den Richter im eigenen Interesse in Bewegung setzen
zu können, ist das wesentlichste Merkmal der Persönlichkeit.
Wie unentwickelt dieser Rechtsschutz auch in vielen Staaten
gewesen sein mag, er hat nirgends gänzlich gemangelt. Einen
Staat ohne Gericht sucht man in der Geschichte der Kultur-
völker vergebens.
Nicht minder entspringen aber aus dieser Position der Per-
sönlichkeit Ansprüche auf Verwaltungstätigkeit des Staates im
individuellen Interesse?).
.
1) Ansprüche an den Staat, nicht Macht über den Staat, wie
O.Mayer, I S.100, ausführt. Macht, d.h. Herrschaft, hat der Staat
über den einzelnen, die Rechtsmacht des einzelnen hingegen kann nur
in einem dem obligatorischen des Zivilrechts analogen Anspruch an das
herrschende Gemeinwesen bestehen. Herrschaft des einzelnen über den
Staat ist schon deshalb unmöglich, weil zwei Persönlichkeiten sich nicht
gegenseitig beherrschen können. Vgl. auch Layer a.2.0. S.337ff.
In der französischen Ausgabe seines Werkes (I p.143) schränkt nun
Mayer seine Behauptung dahin ein, daß nicht der Staat selbst, sondern
die Ausübung der Staatsgewalt Objekt der öffentlichen Rechte sei;
hiernach besteht kein wesentlicher Unterschied mehr zwischen meiner
and der Mayerschen Lehre.
2) Diese Ansprüche fallen durchaus nicht zusammen mit dem
generellen Recht, an den Wohltaten des staatlichen Gemeinwesens teil-
zunehmen, das Laband, I S.153, aufstellt, und es ist auch nicht zu-
zugeben, daß ein Widerspruch zwischen den Ausführungen S.119 des
Systems der subjektiven öffentlichen Rechte und denjenigen S. 132 besteht.
Jeder öffentlich-rechtliche Anspruch des einzelnen muß sich irgendwie
individualisieren lassen, weil sonst jede Möglichkeit fehlt, ihn vom Reflex
staatlicher Tätigkeit zu unterscheiden. Zu den Wohltaten des staatlichen
Gemeinwesens zählen sicherlich zweckmäßig eingerichtete Zuchthäuser.
Sie befördern die Rechtssicherheit, tragen zur Besserung der Sträflinge