Full text: Allgemeine Staatslehre

430 Drittes Buch. Allgemeine Staatsrechtslehre. 
slied, aber iınıner setzt er eine solche Fähigkeit der Ausbürgerung 
oder Auswanderung durch seine Rechtsordnung fest, stellt die 
Bedingungen auf, unter denen er sie gewährt oder verweigert!). 
er Antrag, aus dem Staate auszutreten oder, wo ein solcher 
nicht erforderlich, die Erklärung, aus dem Staate scheiden zu 
wollen, entledigt aber den Austretenden nicht seiner aus dem 
vorläufig fortdauernden und durch seinen einseitigen Akt nicht 
aufhebbaren Untertanenverhältnis fließenden Pflichten, z. B. be- 
reits verwirkte Strafen zu verbüßen, und nımmt dem Staate 
nicht seinen Erfüllungszwang. Erst wenn er allen seinen bereits 
zu Recht bestehenden Verpflichtungen, namentlich der \Wehr- 
pflicht, Genüge geleistet hat, läßt der Staat den Austrittsberech- 
tigten wegziehen. 
Die mit solcher Macht ausgerüstete Gewalt ist Herrscher- 
gewalt und damit Staatsgewalt. Herrschen ist das Kriterium, das 
die Staatsgewalt von allen anderen Gewalten unterscheidet. \Vo 
daher Herrschergewalt bei einem dem Staate eingegliederten Ver- 
bande oder einem Individuum zu finden ist, da stammt sie aus 
der Staatsgewalt, ist, selbst wenn sie zum eigenen Rechte des 
Verbandes geworden ist, nicht ursprüngliche, sondern abgeleitete 
Gewalt ?). 
Dieser Satz entspricht den Verhältnissen des modernen 
Staates. Vor der Konsolidierung der Staaten seit dem Beginn 
der neueren Zeit hat er nicht gegolten. Er ıst eine historische, 
  
1) Niemals reicht, wie bei dem Austritt aus einem privaten Ver- 
bande, eine bloße Willenserklärung zur Ausbürgerung aus. Entweder 
ist Verlegung des Wohnsitzes außerhalb des Staatsgebietes zu ihrer 
Perfektion notwendig, oder sie tritt ungewollt als Folge anderer recht- 
licher Tatsachen ein. 
2) Vgl. die System S.283 N.1 genannten Schriftsteller; ferner 
Haenel StR.1 S.800. Br.Schmidt, a.a.0. S.65ff,, konstatiert die 
unbezweifelte Tatsache, daß auch der nichtstaatliche Verband Herrscher- 
macht übt, beweist aber so wenig wie andere Autoren die Originarität 
dieses Zwangsmittels für das heutige Recht. Das originäre Herrschafts- 
recht der Verbände ist heute nichts anderes als eine Form der Selbsthilfe, 
die der moderne Staat grundsätzlich untersagt und nur ausnahmsweise 
dort anerkennt, wo er sie ausdrücklich gestattet hat. Auch aus der 
längeren Polemik von Preuß, Städt. Amtsrecht S. 132ff., gegen die im 
Text vertretene Lehre erfährt man nichts von irgendeinem der heutigen 
Gemeinde zustehenden Herrscherrecht nichtstaatlichen Ursprungs. Darauf 
allein kommt es aber in dieser Frage an: die historische Wirklichkeit, 
nicht die dialektische Möglichkeit aufzuweisen.
	        
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