452 Drittes Buch. Allgemeine Staatsrechtslehre.
die Schule von Toulouse, die, von romanistischen Ideen beherrscht,
das Recht des Königs als das höchste auf Erden darzustellen
unternimmt !). Auf Grund der Arbeiten von Ferrault,GuyPape,
Boyer, Montaigne und anderer über das französische Recht
hat Grassaille ein bedeutsames Buch über die französischen
Regalien (1538) veröffentlicht, in dem er zwanzig allgemeine
Rechte des Königs aufzählt, zu denen noch zwanzig andere,
spezielle gegenüber der Kirche hinzutreten?). Ihnen zufolge ist
er der erste König der Welt, der weder rechtlich noch faktisch
irgendeinen Höheren in weltlichen Dingen anerkennt, auch nicht
den Papst. Er ist ‚„imperator et monarcha in suo regno‘, er ıst
höchster Richter, der alle niederen Gerichte vernichten kann, er
übt allein eine Reihe besonders aufgezählter Rechte aus, ja „rex
Franciae est in regno tanquam quidem corporalis Deus“. Auch
über die Kırche stehen ihm Rechte zu, wıe sıc keinem anderen
Monarchen gebühren. Er konferiert z.B. Dignitäten und Bene-
fizien, besteuert den Klerus zum Zweck der Verteidigung des
Königreiches ohne Genehmigung des Papstes, richtet über eine
Reihe sonst den kirchlichen Tribunalen vorbehaltene Fälle.
Neben dieser extremen Anschauung von den Rechten des
Königs treten andere auf, die, stets auf das positive Recht Frank-
reichs sich berufend, eine geringere oder größere Einschränkung
der königlichen Macht behaupten, darunter auch solche Ansichten,
die von Partisanen der ständischen Monarchie ausgehen. Allein
selbst in den Kämpfen der Hugenotten und der Liga wird die
Institution des Königtums selbst nicht angegriffen, die Staatseinheit
nicht mehr im Interesse der zurückgedrängten Stände zu zerreißen
gesucht. Nicht um Monarchie oder Republik, sondern um absolute
oder beschränkte Monarchie wird erbittert gestritten. Diese Kämpfe
lehren aber die Besonnenen die Notwendigkeit einer über jeden
Streit erhabenen, unabhängigen, unwiderstehlichen Autorität für
den Staat?).
So wird denn inmitten der Bürgerkriege, die Frankreich
spalten, während das Königtum in Heinrich III. eine verächtliche
Schwäche aufweist, die neue Lehre vom Staate geboren. Das
Fazit der gesamten vorangehenden Entwicklung, wie es sich
1) G.Weill Les theories sur le pouvoir royal.1891 p. 15.
2?) Vgl. die Darstellung bei Weill p. 16£.
3) Siehe Weill p. 289 ff.