460 Drittes Buch. Allgemeine Staatsrechtslehre.
Souveränetätslehre eingegangen war, hätte zu dem Satze führen
müssen, daß jener Ursprung im Staate liege, und damit hätte
die monarchische Gewalt sofort ihren richtigen Umfang und ihre
Begrenzung gefunden.
Bezeichnend aber für die verschiedenen, einander entgegen-
wirkenden Strömungen in der juristischen Theorie ist es, daß
diese Einsicht sowohl der beginnenden Naturrechtslehre als auch
der positiven Jurisprudenz wenigstens nicht völlig verborgen
bleibt. War schon im Mittelalter die Lehre von dem nach Ana-
logie des corpus mysticum Christi zum einheitlichen Staate er-
hobenen Volke vorhanden und in Verbindung damit die Organ-
stellung des Monarchen erkannt, so scheiden auch neuere Publi-
zisten die dem Staate eignende maiestas realis von der aus ihr
entspringenden maiestas personalis des Monarchen!). Während
aber bei ihnen doch nur eine andersartige Fassung der Herleitung
der Fürsten- aus der Volkssouveränetät vorliegt, so kommt auf
Grund lehensrechtlicher Anschauungen, Bodin korrigierend, der
berühmte französische Jurist Loyseau zu der Ansicht, daß die
Souveränetät am Staate, näher gefaßt am Staatsgebiete, hafte
und dem jeweiligen Inhaber sich mitteile. So leitet er demnach
die „souverainete in concreto‘“ aus der „souverainet& in abstracto‘
ab?). Diese, so viel ich sehe, der modernen Literatur über die
Souveränetät unbekannt gebliebene Auffassung ist besonders lehr-
reich für die Entstehungsgeschichte der Souveränetätsvorstellung,
da in ihr die altfranzösische feudale Anschauung von der Gebiets-
herrschaft als Grundlage der Staatsgewalt nochmals zu originellem
Ausdruck kommt.
Auch H. Grotius, der, um das Völkerrecht zu begründen,
die — nicht ganz richtig verstandene — aristotelische Lehre von
dem Wechsel des Staates im Wechsel der Verfassungen, die noch
1) Vgl. Gierke Althusius S. 164 ff.
®) Et comme c'est le propre de toute Seigneurie d’estre inherente
a quelque fief ou domaine, aussi la Souverainete in abstracto, est
attachee a l’Estat, Royaume ou Republique. Pareillement comme toute
Seigneurie est communiquee aux possesseurs de ce fief ou domaine, la
Souverainete, selon la diversit& des Estats se communique aux divers
possesseurs d’iceux: & scavoir en la Democratie & tout le peuple....
En l’Aristocratie la Souverainete reside par devers ceux, qui ont la
domination Finalement &s Monarchies elle appartient au Monarque
qui pour ceste cause est appell& Prince souverain ou souverain Seigneur.
Trait& des Seigneuries. Paris 1608 p. 25.