464 Drittes Buch. Allgemeine Staatsrechtslehre.
Schriftstellern versuchten Einteilungen der Souveränetätsrechte
die heimischen Verhältnisse vor Augen. Schon die Polemik,
die in den ersten Dezennien des 17. Jahrhunderts von deutscher
Seite gegen die Bodinsche Lehre geführt wird, ruht in erster
Linie auf dem Gegensatz der deutschen und französischen staat-
lichen Verhältnisse!). Diesen Zusammenhang im einzelnen zu
erforschen, ist von hohem Werte, während die theoretischen
Resultate so vieler Schriftsteller zweiten Ranges der naturrecht-
lichen Epoche doch nur von geringem Interesse sind, da eine
wahrhafte Weiterbildung des Souveränetätsbegriffes bei ihnen nicht
zu finden ist, vielmehr nur der eine oder andere bereits früher
geäußerte Gedanke von verschiedenen hervorgehoben oder zu-
gunsten anderer Elemente zurückgedrängt wird.
So beziehen sich denn alle Bestrebungen, der Souveränetät
einen positiven Inhalt zu geben, ın Wahrheit auf die Staats-
gewalt, die stets mit dem summum imperium identifiziert wird.
Damit. gerät die Theorie aber mit dem Leben in einen politisch
bedeutsamen Widerspruch, indem vor dem 19. Jahrhundert in
der Staatenwelt mit ihren Überresten des Feudalstaates gar
manche der nur dem Souverän zugeschriebenen Berechtigungen
auch anderen Gewalten als der souveränen zukamen. Die Theorie
erhebt eben die von ihr aus den gegebenen Verhältnissen ab-
strahierten Majestätsrechte zu ausschließlichen, keinem anderen
als dem Träger der Majestät zukommenden. Aus der bloßen
Tatsache, daß die höchste Gewalt ein Recht besitze, schließt
sie, daß es nur ihr zukommen dürfe Indem sie alle diese
Rechte in den Begriff der Staatsgewalt hineinlegt und hierauf
wiederum aus diesem Begriffe deduktiv ableitet, wird ihr der
Souverän zum alleinigen ursprünglichen Inhaber aller Herrschafts-
rechte. Damit wird alle Innehabung solchen Rechtes durch nicht-
staatliche individuelle oder Verbandspersonen zur Usurpation.
Das Herrschaftsrecht selbst gebührt allemal dem Staate; nur zur
Ausübung kann er nach seinem Ermessen das der Substanz nach
stets bei ihm verbleibende Recht den ihm Untergeordneten über-
lassen.
Der große Enteignungsprozeß der dem Staate ein- und
untergeordneten öffentlichen Gewalten durch den Staat selbst, der
mit die Signatur der politischen Entwicklung der neueren Zeit
ı) Vgl. Hancke a.a.0. S.4ff.