Full text: Allgemeine Staatslehre

Vierzehntes Kapitel. Die Eigenschaften der Staatsgewalt. 467 
liche Einheit in Preußen und Österreich vollendet!). Unter ihrem 
Einflusse verschmolzen nämlich die Herrscher der branden- 
burgischen und österreichischen Ländergruppen ihre Territorien 
zu einem mittelst einer einheitlichen Verwaltungsorganisation be- 
herrschten Ganzen. Diese Vereinigung erfolgte im Gegensatz zu 
den geltenden ständischen Landesverfassungen, deren Bestimmungen 
den herrschenden Souveränetätsvorstellungen widerstritten. Aber 
auch die nach Ludwig XIV. noch immer steigende Zentralisation 
in Frankreich, das Vordringen der Intendanten und ihrer Dele- 
gierten gegenüber der ständischen und städtischen Verwaltung 
unter dem ancien regime, wie nicht minder die nach kurzem 
Schwanken auf energische Konzentrierung der Staatsgewalt unter 
fast völliger Vernichtung jeglicher Selbstverwaltung gerichtete 
  
1) In Fortführung der Gedanken Bodins, Hobbes’ und Pufendorfs 
hat die naturrechtliche Staatslehre in Deutschland im 18. Jahrhundert 
eingehend die Lehre vorgetragen, daß dem Staatsoberhaupt die ge- 
samte Staatsgewalt zustehe und ıhm alle Befugnisse als ausschließliche 
Majestätsrechte gebühren, die zur Erreichung des Staatszweckes, den 
zu erstreben Monarchenpflicht ist, notwendig sind. Vor allem hat 
Wolff in seinem so einflußreichen Jus naturae VIII 8810 den Satz 
vertreten: Qui imperium civile exercere debet, ei competunt omnia iura, 
sine quibus ita exerceri nequit, ut bonum publicum, quantum fieri potest 
promoveatur, das seien aber die ıura maiestatica. Diese begreifen nun, 
wie weiter ($ 811) ausgeführt wird, das ius omnia constituendi, quae ad 
bonum publicum consequendum ipsi facere videntur. Diese Sätze werden 
ın der folgenden naturrechtlichen Literatur als Gemeinplätze vorgetragen 
und erhalten ihren gesetzgeberischen Ausdruck im Allgemeinen Land- 
recht, Teil II Titel 13 $1: „Alle Rechte und Pflichten des Staates gegen 
seine Bürger und Schutzverwandten vereinigen sich in dem Oberhaupte 
desselben‘, woran sich die Lehre von den Pflichten des Monarchen und 
den zu ihrer Erfüllung bestehenden Majestätsrechten knüpft. Hierbei ist 
zu beachten, daß Svarez ein Schüler des Wolffeaners Darjes war, 
der, wie Stölzel, Svarez S.62ff., ausführt, auf jenen den größten 
Einfluß übte und daß Svarez’ (vgl. Stölzel S. 286) politisches Programm 
ganz aut dem Boden der Lehre vom vertragsmäßigen Ursprung des 
Staates erwachsen war. Zorn, D.Literaturzeitung S. 881, nennt diese 
triviale, aus der Volkssouveränetätslehre abgeleitete Formel des absolu- 
tistischen Naturrechtes, die, wie unten nachgewiesen, sich keineswegs 
mit dem monarchischen Prinzip deckt, wie es in den späteren deutschen 
Verfassungen formuliert ist, das „Ergebnis der brandenburgisch-preu- 
Bischen Staaisentwicklung‘“. Ich schätze diese doch weit höher ein als 
Zorn und meine, daß ein Satz, der als das Resultat aller absoluten 
Monarchien in und außerhalb Deutschlands gelten sollte, nicht das 
Eigentümliche und Unterscheidende des preußischen Staates sein kann. 
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