Vierzehntes Kapitel. Die Eigenschaften der Staatsgewalt. 479
sicherlich keine ‚„legibus absoluta potestas‘‘ der Gesetzgebung
vorhanden.
Aber nicht nur nach innen, auch nach außen erkennt sıch
der Staat, der in der völkerrechtlichen Staatengemeinschaft lebt,
als durch das Völkerrecht gebunden an, ohne sich deshalb einer
höheren Gewalt zu unterwerfen. Wenn Recht die von einer
äußeren Autorität ausgehenden, durch äußere Mittel garantierten
Normen für gegenseitiges Verhalten von Personen sind, so paßt
diese Definition vollinhaltlich auf das Völkerrecht, Auch im
Völkerrecht bleibt rechtlich der Staat nur seinem eigenen Willen
unterworfen. Nur ruhen die Garantien des Völkerrechts, so wenig
wie die des Staatsrechts, nicht gänzlich auf seinem Willen.
Für das Recht ist es aber nur notwendig, daß Garantien seiner
Geltung vorhanden sind, nicht, daß sie dem Willen des Staates
entstammen.
Dies ist der einzig mögliche Weg, das Völkerrecht rechtlich
zu begründen. Es ist zweifellos, daß nicht der Einzelstaat den
Inhalt der völkerrechtlichen Normen schafft und zu schaffen
imstande ist. Dieser Inhalt entwickelt sich und besteht un-
abhängig vom Staate als Forderungen des internationalen Ver-
kehrs, als Überzeugungen und Wünsche der Völker und Staats-
männer. Allein alle Versuche, die Geltung des Völkerrechts auf
eine über den Staaten stehende Rechtsquelle zurückzuführen, sind
mißlungen und werden mißlingen, so oft man auch auf sie
zurückkommen wird!). Denn formell kann das Recht nur ab-
französische Verfassung vom 3.Sept. 1791 untersagte für die nächste
Zukunft die Revision, und für später verlangte sie (fitre VII Art. 1-5)
den Beschluß von drei aufeinanderfolgenden Legislaturen und die
definitive Revision durch eine vierte, so daß es mehr als sechs Jahre
bedurft hätte, um eine Änderung in Kraft treten zu lassen. Die
Direktorialverfassung sollte nur in Zwischenräumen von neun Jahren
abgeändert werden können (Art.336ff.). Die heutige griechische Ver-
fassung vom 16. November 1864 verbietet die Gesamtrevision und schloß
für die ersten zehn Jahre jede Abänderung aus (Art. 107). Ob solche
Bestimmungen politisch richtig sind, ist eine andere Frage; jedenfalls
sind sie juristisch möglich.
1) Triepel, Völkerrecht u. Landesrecht S.76f.,, will das Völker-
recht auf den übergeordneten, aus den zusammenfließenden Einzelwillen
der Staaten erzeugten Gemeinwillen gründen und meint dadurch der Lehre
von der staatlichen Selbstverpflichtung ausweichen zu können. Allein
jeder einheitliche Wille bedarf eines einheitlichen Willensträgers. Ist
der Gemeinwille einheitlicher Wille, so bedarf er auch eines einheitlichen