Full text: Allgemeine Staatslehre

456 Drittes Buch. Allgemeine Staatsrechtslehre. 
machen. Das führt aber zu der dritten an dieser Stelle zu 
erörternden Frage: ob Souveränetät ein wesentliches Merkmal 
der Staatsgewalt, daher Staat und souveräner Staat identische 
Begriffe seien. 
c) Die Souveränetät kein wesentliches Merkmal 
der Staatsgewalt. 
Die Naturrechtslehre zeichnete einen Normaltypus des Staates, 
dessen Gewalt das wesentliche Merkmal der Souveränetät besitzt. 
Dieser Typus wird auch heute noch von manchen als der allein 
zu Recht bestehende arigesehen!). Zwar ist es unbestritten, daß 
es im Staate diesem gegenüber relativ selbständige Verbände 
gebe, die Imperium üben. Die Streitfrage aber besteht darin, 
ob der einem höheren Verbande eingeordnete, daher ın einem 
bestimmten Umfange untergeordnete Verband, der mit Herrscher- 
gewalt ausgerüstet ist, trotz dieser Unterordnung den Charakter 
als Staat bewahren oder gewinnen könne. Diese Frage, obwohl 
schon früher vorhanden, ist zu hervorragender Bedeutung erst 
durch die Gründung der modernen Bundesstaaten und die sıch 
daran knüpfenden Theorien gediehen. Unter dem Einflusse der 
früher herrschenden Theorie von der begrifflichen Notwendigkeit 
der Souveränetät für den Staat wurde für den Bundesstaat zu- 
nächst die Lehre von der geteilten Souveränetät aufgestellt. Andere 
haben, von dem Gedanken der Unteilbarkeit der Souveränetät 
ausgehend, entweder die Möglichkeit der Bundesstaaten geleugnet 
oder den Gliedstaaten den Staatscharakter abgesprochen, haben 
damit aber auf das Begreifen der Eigenart der wichtigsten 
( m — 
1) 2.B. v.Seydel, namentlich Abhandlungen S.6; Zorn StR.I 
5.63 u, Die deutsche Reichsverfassung 2. Aufl. 1913 S.34; Haenel 
StR.I S.113,798; Bornhak Staatslehre S.9; Otto Mayer Das Staats- 
recht des Königreichs Sachsen 1909 S.11ff.; ferner Le Fur p. 354ff.; 
Combothecra p.155f.; Esmein p.6f. Die ausländische staatsrecht- 
liche Literatur der Einheitsstaaten über den Einheitsstaat hat in 
der Regel keinen Anlaß, das Dogma von der Souveränetät als Essentiale 
des Staatsbegriffes zu prüfen. Interessant ist es, daß in jüngster Zeit 
sich in der amerikanischen Staatsrechtslehre eine Strömung geltendmacht, 
die den Einzelstaaten der Union wegen Mangels der Souveränetät den 
Staatscharakter abspricht. So in lebhafter, aber nicht in die Tiefe 
dringender Polemik gegen meine Ausführungen Willoughby, Exami- 
nation p.246ff.,, ferner Burgess, in Opposition gegen Laband, vgl. 
das längere Zitat bei Willoughby p. 245. Hingegen hat sich W. Wılson, 
An Old Master and other Essays, New York 1893, p. 93£., meinen Dar- 
legungen angeschlossen.
	        
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