Full text: Allgemeine Staatslehre

Vierzehntes Kapitel. Die Eigenschaften der Staatsgewalte. 501 
du Peuple, ni aucun individu, ne peut s’en attribuer l’exercice?). 
Zur Lösung dieses Widerspruchs entwickelt später Siey&s seine 
Lehre von dem dem Volke unveräußerlich innewohnenden pouvoir 
constituant, dem die einzelnen Gewalten als pouvoirs constitues 
gegenüberstehen. In der Ausübung des Rechtes der Verfassungs- 
änderung zeige sich stets die ursprüngliche Einheit der Gewalten?). 
Die späteren Verfassungen in allen Staaten, obwohl sie alle 
in gewissem Umfange das Prinzip der Gewaltenteilung akzep- 
tieren, bezeichnen doch einen Einheitspunkt der Gewalten: den 
Monarchen in den Staaten, welche dem monarchischen Prinzip 
offizielle Geltung beigelegt haben, das Volk in den anderen, 
was in beiden Fällen nıchts als ausdrückliche Anerkennung der 
Staatseinheit in einer Formel bedeutet, die nur aus der Ent- 
wicklung der Souveränetätslehre heraus zu begreifen ıst. Es 
gibt daher keine Verfassung, die den Gedanken der Gewalten- 
teilung in seinen äußersten Konsequenzen bis zur Anerkennung 
der drei Personen im Sinne Kants durchzuführen auch nur 
beabsichtigt hätte. Die an B. Constant und die Charte an- 
knüpfende neuere konstitutionelle Theorie tritt der schroffen Schei- 
dung der Gewalten nach der subjektiven Seite hin schon deshalb 
entgegen, weil von dieser aus jede parlamentarische Regierung 
als unmöglich erscheint?). 
Für die Erkenntnis der einheitlichen Natur des Staates be- 
steht die ganze, historisch-politisch so bedeutsame Frage nicht. 
Jedes Staatsorgan stellt innerhalb seiner Zuständigkeit die Staats- 
gewalt dar. Möglich ist daher Verteilung von Zuständigkeiten, 
nıcht Teilung der Gewalt®). In der Vielheit ihrer Organe ist, 
stets die eine Staatsgewalt vorhanden. Die Bedeutung der Theorie 
der Gewaltenteilung für die Lehre von den staatlichen Funktionen 
ist an anderer Stelle eingehend zu erörtern (Kap. XVII). 
  
1) Const. du 3 septi. 1791 Titre III Art. 1. 
2) Politische Schriften (deutsche Übersetzung) 1796 I 147; II 421. 
°®) Vgl. Constant I p. 219; dazu G.Jellinek Die Entwicklung des 
Ministeriums in der konst. Monarchie, Grünhuts Zeitschrift X 1883 
3.340f. (Ausgew. Schriften u. Reden II 1911 S. 131£.). 
#) Das meint im Grunde auch O.Mayer, Deutsches Verwaltungs- 
recht I S.67ff., der für die Gewaltenteilung eintritt. Wenn er aber 
erklärt, daß die Gewalten keine bloßen Funktionen, sondern lebendige 
Stücke der Staatsgewalt selbst seien (S. 68,69 N.3), so ist damit kaum 
eine klare Vorstellung zu verbinden.
	        
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