528 Drittes Buch. Allgemeine Staatsrechtslehre.
der Regierung von den Kammern in den Formen der gewöhn-
lichen Gesetzgebung beschlossen).
Unter dem Einflusse der Charte Ludwigs XVII. haben sich
die meisten Verfassungen der deutschen Staaten in der Epoche
1814—1848 gebildet. Namentlich die Konstitutionen der süd-
deutschen Staaten aus den Jahren 1818—1820 haben diesen Ver-
fassungstypus in Deutschland heimisch werden lassen, der nach
der Julirevolution auch von mehreren der größeren mittel- und
norddeutschen Staaten akzeptiert wird.
Diese Verfassungen haben die Betonung des monarchischen
Prinzipes, das Zweikammersvstem mit einer aristokratischen ersten
Kammer, den Vorbehalt der Gesetzesinitiative für die Regierung,
das Recht der Auflösung der Wahlkammer durch den Monarchen
und den Grundsatz der Ministerverantwortlichkeit der Charte ent-
lehnt, ın anderen Punkten aber an altständische einheimische Ver-
hältnisse angeknüpft, so daß sie keineswegs als unselbständige
Kopien der Charte bezeichnet werden können. Sie kennen ferner
alle, zum Unterschiede von der Charte, erschwerende Formen für
die Verfassungsänderung, so daß sie scharf zwischen einfachen
und Verfassungsgesetzen scheiden. Diese Formen beziehen sich
aber sämtlich auf die Beratung oder Abstimmung in den Kammern;
von Volksabstimmungen nach amerikanisch-französischem Muster
ıst bei ihnen, als dem monarchischen Prinzip direkt wider-
sprechend, natürlich keine Rede. Die Verfassungsurkunde Ist
ferner häufig nicht einseitig vom Monarchen erlassen, sondern mit
den alten Ständen vereinbart, woraus sich in der deutschen
staatsrechtlichen Literatur zur Zeit des Deutschen Bundes die
Unterscheidung von oktroyierten und paktierten Verfassungen
herausbildet, der aber bereits die Autoritäten des deutschen
Bundesrechtes keine erhebliche Bedeutung beilegen?).
Außer den erwähnten deutschen Verfassungen sind das
niederländische Grondwet vom 24. August 1815, die polnische
Verfassung vom 25. Dezember 1815, die ephemere spanische
Verfassung vom 10. April 1834 und vor allem das Statuto Fonda-
mentale des Königreichs Sardinien, das späterhin die Verfassung
des Königreichs Italien wurde, von den Grundgedanken der
1) So das Gesetz vom 9. Juni 1824, durch welches an Stelle der
Partial- die Integralerneuerung der Deputiertenkammer eingeführt wurde.
Duguit-Monnier Const. p. 2ilf.
2) Vgl. H.A.Zachariae D.St.u.B.R.I S. 286.