Full text: Allgemeine Staatslehre

Fünizehntes Kapitel. Die Staatsverfassung. 531 
Bund und in den Kantonen gewandelt. Namentlich die In- 
stitutionen der direkten Volksgesetzgebung sind in ihnen in 
eigentümlicher Weise durchgebildet. Doch ist auch in dieser der 
Einfluß amerikanischer und französischer Ideen nachweisbar. 
Daß die föderalistische Gestaltung der Eidgenossenschaft von 
amerikanischen Ideen beeinflußt wurde, zeigt sich in der Organi- 
sation des Ständerates, in dem gleichwie im amerikanischen 
Senat jeder Gliedstaat (Kanton) zwei Stimmen hat. 
Trotz aller Rezeption fremder Rechtsgedanken sind jedoch 
alle Verfassungen nach der Eigenart der heimischen Rechte zu 
prüfen. So sind die preußische und österreichische Verfassung, 
ungeachtet der Einwirkung der belgischen, auf demselben Prinzipe 
aufgebaut wie die älteren deutschen Verfassungen, dem der Vor- 
herrschaft des Monarchen. Ebenso ist die Verfassung des Deutschen 
Reiches nach ihrer inneren historischen Entwicklung, nicht nach 
irgendwelchen abstrakten konstitutionellen Naturrechtsideen zu 
interpretieren. Der geschichtliche Tatbestand, der der Einzel- 
verfassung zugrunde liegt, kann selbst durch bewußte Rezeption 
fremden Rechtes nicht geändert werden. 
ll. Die Bedeutung der Verfassungen im Rechte der Gegenwart. 
Überblickt man nun die heutigen Verfassungen, so ergibt 
sich folgendes. Die Staaten teilen sich in solche mit und ohne 
Verfassungsurkunde. Die ersteren lassen die Verfassungen ent- 
weder vom Volke, sei dies die Volksgemeinde oder die Volks- 
vertretung, oder vom Fürsten ausgehen oder stellen sie als 
Resultat einer Vereinbarung beider Staatselemente dar. Die 
meisten Verfassungen kennen erschwerende Formen für ihre Ab- 
änderung. Diese bestehen bei den Verfassungen, die auf der Idee 
der konstituierenden Gewalt des’ Volkes aufgebaut sind, entweder 
in direkten Volksabstimmungen oder in Auflösung der Kammern 
und nochmaliger Befragung der Wähler, Abstimmung durch 
Revisionskammern und Konvente. Sonst aber sind für die die 
Änderung beschließenden Kammern zahlreiche außerordentliche 
Formen vorgeschrieben, unter denen das Erfordernis einer größeren 
als der einfachen Majorität in mannigfaltigen Kombinationen eine 
bedeutende Rolle spielt. Ferner sind wiederholte Abstimmungen 
oder Abstimmungen in mehreren aufeinanderfolgenden Legislaturen 
öfters gebrauchte Erschwerungsmittel der Verfassungsänderung. 
Von ganz besonderer Art sind die Formen für die Verfassungs- 
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