542 Drittes Buch. Allgemeine Staatsrechtslehre.
ohne den Verband selbst zu zersprengen. Denn das Dasein eines
unmittelbar auf den Verband bezogenen, dem Verbande selbst
zurechenbaren menschlichen Willens ist ein wesentliches Merkmal
des Verbandes selbst.
Da, wo in früher Zeit oder auf früher Kulturstufe organisierte
Gruppen, also Verbände in unserem Sinne angetroffen werden,
da ist der Vorgang der Organisierung anfänglich stets ein rein
tatsächlicher. Daß zuvörderst eine ÖOrganisationsordnung_fest-
gesetzt und erst auf Grund dieser die Organe bestellt werden,
mit einem Worte: die Erhebung der Organisation zu einem Rechts-
vorgang, findet man erst bei verhältnismäßig entwickelter Rechts-
ordnung, wenn auch die durch persönliche Vorzüge oder die Sitte
zu Organen erhobenen Personen, Kraft der Rechtswirkung des
Tatsächlichen, selbst dem primitiven Rechtsbewußtsein als recht-
mäßige Besitzer ihrer Stellung erscheinen mögen. Der oft gehörte
Satz, daß niemals ein staatsloser Zustand unter Menschen an-
getroffen worden sei, hat seinen Wahrheitsgehalt darin, daß
Menschen stets in, wenn auch noch so lose organisierten, sozialen
Gruppen existiert haben.
Solche Organisation ist aber bereits eine untermenschliche
Erscheinung, bei einer ganzen Zahl höher entwickelter Tiere
wahrnehmbar. Herdentiere aus der Klasse der Säugetiere leben
nicht nur, wie die nur von Instinkten beherrschten, vielfach in
psychologischer Hinsicht überschätzten geselligen Insekten, in Ge-
meinschaft, sondern bilden organisierte Gruppen. So schildert
z. B. Brehm das soziale Leben der Affen folgendermaßen:
„Das stärkste oder älteste, also befähigtste männliche Mitglied
einer Herde schwingt sich zum Zugführer oder Leitaffen auf.
Diese Würde wird ihm nicht durch das allgemeine Stimmrecht
übertragen, sondern erst nach sehr hartnäckigem Kampfe und
Streite mit anderen Bewerbern, d. h. mit sämtlichen übrigen alten
Männern zuerteilt Dafür sorgt er auch treulich für die
Sicherheit seiner Bande und ist deshalb in beständiger Unruhe.
Nach allen Seiten hin sendet cr seine Blicke, keinem Wesen traut
er, und so entdeckt er auch fast immer rechtzeitig eine etwaige
Gefahr.“1) Das Aufstellen von Wachen, die gegebenenfalls
1) Tierleben 3. Aufl. 1 S.47. Vgl. auch Darwin Abstammung
des Menschen I S.95ff.; Ziegler Naturwissenschaft u. socialdem.
Theorie S. 182 ff.