Full text: Allgemeine Staatslehre

Sechzehntes Kapitel. Die Staatsorgane. 593 
Gewalt sei, so spaltet man den Staat in die Körperschaft und 
den Träger der Gewalt. Denn entweder ist dieser Träger im 
Verhältnis zum Staate Organ, dann ist die Bezeichnung Träger 
nichtssagend, oder er ist nicht Organ, sondern Person, dann steht 
er dem Staate selbständig gegenüber. Es ist wieder der uns 
wohlbekannte Gegensatz von rex und regnum, der uns hier in 
modernisierter Form entgegentritt!). 
  
Staatsgewalt in einem Hauptorgane auf einer politischen Doktrin 
beruht, die in unauflöslichem Widerspruch mit den positiv-rechtlichen 
Verfassungen stehi. Wenn G.Meyer, Staatsrecht S.18 N.10, daraul 
hinweist, daß der Begriff des Trägers der Staatsgewalt ein juristischer 
Ausdruck für die Bestimmungen der deutschen Verfassungen sei, nach 
welchen der Monarch alle Rechte der Staaisgewalt in sich vereinigt, 
so ist darauf zu erwidern, daß nur die Nichtableitbarkeit der Monarchen- 
rechte von einem anderen Organe der juristische Kern dieses Satzes 
ist, hingegen die den Kammern und den Gemeinden zustehenden Rechte 
keineswegs vom Monarchen getragen werden. Die Kritik hat vor den 
heute bereits nur historisch verständlichen Verfassungstexten nicht 
stille zu halten, und solche Methode ist ja von Meyer selbst häufig 
mit Erfolg. geübt worden. Neuestens hebt Anschütz in der Enzy- 
klopädie 5.472 und zu G.Meyer S.17 N.6 hervor, daß der Träger 
der Staatsgewalt nichts anderes als eine besondere Art Organ des 
Staates sei, nämlich dasjenige, welches im Zweifelfalle die Vermutung 
der Alleinberechtigung zur Ausübung der Staatsgewalt hat, eine Ansicht, 
die ich selbst früher, System der subj. öff. Rechte 1.A. S.141 N.6 
(dazu 2.A. S.148 N.6) vertreten habe. Doch ist der Ausdruck irre- 
führend, da er leicht zu der Behauptung eines außerstaatlichen Trägers 
der Staatsgewalt führt, was im Grunde die Überzeugung derer ist, die 
überall einen Träger der gesamten Staatsgewalt fordern, mögen sie dies 
noch so sehr durch Verbeugungen vor der körperschaftlichen Natur des 
Staates verdecken. Überdies ist jedes Organ „Träger“ der von ihm 
selbständig auszuübenden Gewalt, da es eben innerhalb seiner Zuständig- 
keit den Staat vorstelli. Der Minister ist ‚Träger‘ der in der Gegen- 
zeichnung liegenden Gewalt, die er nach seinem pflichtmäßigen Er- 
messen, nicht im monarchischen Auftrag ausübt, oder will man wirklich 
die Gegenzeichnung zu einem Rechte des Trägers der gesamten Staats- 
gewalt erklären, das dem Minister nur delegiert ist!? Eingehende und 
treffende Kritik der einschlägigen Lehren bei Lukas Die rechtliche 
Stellung des Parlaments 1901 S.64ff. und Radnitzky Über den Anteil 
des Parlamentes usw. (Jahrb. d. ö. R.V 1911) S.5lff, Vgl. auch 
G.Jellinek D. Kampf d. alt. m. d. neuen Recht 1907 S.40ff. (Ausg. 
Schrift. u. Reden II 1911 S. 416 ££.). 
1) Daher verfahren die Anhänger der Herrschertheorie von ihrem 
Standpunkte aus konsequent, wenn sie bei ihrer Leugnung des korpo- 
rativen Charakters des Staates nur persönliche Träger der Gewalt 
kennen. Nicht haltbar ist aber die Behauptung von H.Geffcken,
	        
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