Contents: Allgemeine Staatslehre

Sechzehntes Kapitel. Die Staatsorgane. 999 
aufweisen, die gleichwertig nebeneinanderstehen, so wäre damit 
ein dauernder Kampf zwischen ihnen die notwendige Folge, der 
mit dem Siege des einen oder der Vernichtung des Staates 
enden würde. Das haben die römische Dyarchie und das Ringen 
zwischen Fürst und Ständen in der mittleren und neueren Zeit 
zur Genüge gelehrt. 
Wo außer einem unmittelbaren Organ nur mittelbare vor- 
handen sind, ist jenes selbstverständlich das höchste Organ. Wo 
primäre und sekundäre Organe zusammenwirken, ist die Einheit 
des unmittelbaren ÖOrganes insofern gewahrt, als gemäß dem 
repräsentativen Gedanken die Akte des sekundären Organes als 
Akte des primären gelten. Das von den Kammern einer demo- 
kratischen Republik beschlossene Gesetz gilt als Inhalt des Volks- 
willens, wie wenn das Volk selbst den Beschluß vorgenommen 
hätte. Jedoch kann innerhalb des unmittelbaren Organes eine 
Bevorrechtung des primären vor dem sekundären dadurch statt- 
finden, daß gewisse Akte des sekundären Organes erst durch 
Sanktion von seiten des primären rechtsbeständig werden. Das 
ıst überall dort der Fall, wo direkte Volksabstimmungen über Ver- 
fassungsänderungen und Gesetze vorgenommen werden. Dieses 
System bedeutet den Vorbehalt bestimmter Äußerungen der 
höchsten Entscheidungsgewalt, vor allem der auf die Verfassung 
bezüglichen, für das primäre Organ, das somit ınnerhalb der 
Organisation des höchsten Organes die höchste Stelle einnimmt. 
Wo hingegen das primäre Organ nur auf Wahlakte beschränkt 
ist, die ganze ihm zustehende Gewalt hingegen durch mehrere 
sekundäre Organe ausübt, wie in der repräsentativen Demokratie, 
da muß in dem gegenseitigen Verhältnis dieser 'relativ von- 
einander unabhängigen Organe ebenfalls ein höchstes Organ 
  
der Satz (Reichsverf. Art. 17), der Kaiser erlasse seine Anordnungen und 
Verfügungen im Namen des Reiches, bedeute, daß er im Namen des 
gesamten deutschen Vaterlandes handle. Solcher Auslegung kann man 
zustimmen, ohne daß durch sie das Verhältnis des Kaisers zu den ver- 
bündeten Regierungen irgendwie geklärt würde. Nur die Auffassung 
des Kaisers als Repräsentanten der Gesamtheit der verbündeten Re- 
gierungen erklärt seine Unabhängigkeit und Unverantwortlichkeit in 
der ihm zukommenden Sphäre neben der obersten Organstellung des 
Bundesrates, während die Annahme der Koordination beider Organe 
die Frage nach dem höchsten Organ des Reiches unbeantwortbar macht, 
wie denn auch Anschütz tatsächlich den Kaiser dem Bundesrate 
gleichordnet.
	        
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