Full text: Allgemeine Staatslehre

Sechzehntes Kapitel. Die Staatsorgane. 61 
Rechtssubjekts. Es sind stets Streitigkeiten über objektives, nie 
über subjektives Recht!). 
Da das Organ kein eigenes Recht, sondern nur staatliche 
Zuständigkeiten hat?), so können diese auch kein Recht der 
das Organ versehenden Persönlichkeiten sein. Staatliche Kom- 
petenzen als eigenes Recht von Personen bedeutet entweder 
eine Zerreißung des Staates oder Behauptung einer Rechts- 
ordnung über dem Staate. Denn jenes eigene Recht stammt ent- 
weder aus der staatlichen Rechtsordnung, dann setzt der Staat 
neben sich ein zweites Subjekt seiner Rechte, oder aus einer sei 
es vor-, sei es überstaatlichen Ordnung, mit anderen Worten: 
aus einem eigens zur Stütze einer unhaltbaren Theorie erfundenen 
Naturrechtssatz. Mit der richtigen Erkenntnis fällt auch die 
Lehre von dem eigenen Recht des Monarchen an der Staatsgewalt. 
Die Staatsgewalt gehört dem Staate, und der Monarch als solcher 
ist und bleibt in der heutigen Staatsordnung oberstes Organ des 
Staates. 
Der einzelne hingegen kann ein Recht auf Organstellung 
haben, d.h. auf Anerkennung als Organ und Zulassung zu dessen 
Funktionen. Solcher Anspruch steht allen Personen zu, die dem 
Rechte gemäß zur Trägerschaft eines unmittelbaren Organes be- 
  
t) Vgl. G.Jellinek Bes. Staatslehre (Ausg. Schr. u. Red. II 1911) 
S.254ff. — Der laxere Sprachgebrauch, der von Rechten der Staats- 
häupter, Kammern, Behörden redet, wird sich ohne Pedanterie allerdings 
kaum vermeiden lassen, da die Terminologie nicht immer in bequemer 
Weise sich der fortschreitenden Erkenntnis anzupassen vermag. Immer- 
hin ist auch der Sprachgebrauch nicht irreführend, wenn man nur nicht 
außer acht läßt, daß nicht die ausübenden Organe, sondern der Staat das 
Subjekt all dieser Rechte ist. Der Gegensatz von eigenem subjektivem 
Recht und staatlicher Zuständigkeit nunmehr auch in voller Klarheit 
hervorgehoben von Anschütz in der Enzyklopädie II S. 565 £., 579. 
2) Natürlich muß in der Tätigkeit des Organträgers genau zwischen 
dem, was er als Individuum und was als Organ verrichtet, unterschieden 
werden, da sich beide Tätigkeitsarten fortwährend durchdringen. Nicht 
alles, was ein Organträger in staatlichem Auftrage verrichtet, ist deshalb 
schon staatliche Tat, wie ich bereits im System S. 224 und oben S. 260. 
ausgeführt habe. Dem Staate zuzurechnen sind alle Akte der Herr- 
schaftsübung und der freien leitenden Tätigkeit. Soweit hingegen der 
Staat eine von ihm angeordnete Tätigkeit inhaltlich entweder nicht 
bestimmen will oder kann, ist und bleibt sie individueller Art. Nur 
das Daß, nicht das Wie ihres Geschehens ist dem Staate zuzurechnen. 
Die Einwände, die Spiegel, a.a.O. S.179, dagegen erhebt, bestätigen 
diese Ansicht mehr, als daß sie sie widerlegen. 
G. Jellinek, Allg. Staatslehre. 3. Aufl. 36
	        
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