Full text: Allgemeine Staatslehre

Siebzehntes Kapitel. Repräsentation und repräsentative Organe. 591 
sekundäre Staatsorgane. Unter dem Einflusse Rousseaus tritt 
sogar die Lehre auf, daß das Staatshaupt Beamter des Volkes 
sei, also mittelbares Staatsorgan, ein Gedanke, der sich schon 
deshalb nicht durchführen läßt, weil das Volk kein Diensitherr 
ist, der dem Staatshaupt Aufträge erteilen und von seinen Dienst- 
befehlen dauernd abhängig machen könnte. Daher ist das Staats- 
haupt auch in also konstruierten Staaten entweder unverant- 
wortlich, oder es verantwortet bloß den Mißbrauch der ihm zu- 
stehenden Gewalt, untersteht aber, insoweit es sich innerhalb der 
Schranken der ihm zustehenden Gewalt hält, keiner höheren 
Gewalt. An diesem Punkte greift nämlich das Dogma der Ge- 
waltenteilung ein, das dem Staatshaupte ebenso Ausübung höch- 
ster, unabhängiger Gewalt zuschreibt wıe dem Parlamente. 
Mit dieser Erkenntnis ergibt sich der Satz: Staatshäupter 
ın der modernen demokratischen Republik sind stets unmittelbare, 
aber sekundäre Staatsorgane!). Auch bezüglich ihrer ist das 
Recht des primären Organes nicht ganz erloschen. Es äußert sich, 
wie bei der Bestellung der Kammern, durch die Wahl, die von 
dem Volke entweder selbst oder durch von ıhm ernannte Krea- 
tionsorgane (Elektoren in Amerika, die vereinigten Kammern in 
Frankreich und der Schweiz, die in diesem Falle eine außerordent- 
liche Kompetenz ausüben) vollzogen wird. 
Monarchen hingegen sind primäre Staatsorgane. \Wenn die 
belgische und rumänische Verfassung nach dem Vorgange der fran- 
zösischen von 1791 den König als Repräsentanten der Nation 
betrachten, so hat das juristisch gar keine Bedeutung, da das Volk 
den König weder ernennen noch absetzen noch zur Verantwortung 
ziehen kann, ıhm also jede Möglichkeit genommen ist, sich dem 
König gegenüber als primäres Organ zu betätigen. Jene Ver- 
fassungssätze haben vielmehr nur die Bedeutung, daß durch sie 
die historische Tatsache der Einsetzung der Dynastie durch Wahl 
der Kammern ausgesprochen und die Kompetenz der Krone fest- 
gesetzt wurde?). Auch in der Monarchie, die auf demokratischem 
— — —— 
I) Vgl. auch System der subj. öff. Rechte S.154ffl. — Nach 
Walther, Das Staatshaupt in den Republiken 1907 S. 112ff., gibt es 
auch Beamte ohne Vorgesetzte; auf Grund dieses bedenklichen Vorder- 
satzes erklärt er das republikanische Staatshaupt für einen Beamten, 
also für ein mittelbares Staatsorgan. 
?2) „Nachdem die ursprüngliche Delegation geschehen, ist die Gewalt 
des Königs ebenso unwiderruflich, als entstamme sie einem traditionellen
	        
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